Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
das plastische Element des Geländebildes, wie wir später noch ausführlicher nachweisen 
werden. 
Wir kennen die ¡Schwierigkeiten der Auffassung und des Behaltens von Tatsachen. 
Beide Schwierigkeiten mildert die Umwandlung der Beobachtungen und Tatsachen in 
das Kartenbild, weil hierbei, wie bei dem Experiment, das Auge, eines der empfind 
lichsten und dabei leistungsfähigsten Sinnesorgane, zur gesteigerten Mitarbeit heran 
gezogen wird. Die Kartenwissenschaft bliebe einseitig, wenn sie sich nur auf persönliche 
Erfahrungen des Autors und nicht auf die Summe der mannigfaltigsten Beobachtungen 
stützen wollte. Ist die Karte auf Beobachtungen aufgebaut, wird sich eine darauf be 
gründete Spekulation um so sicherer bewegen, obwohl es, was hier gleich bemerkt sei, 
nicht ratsam ist, die Karte allein als die Grundlage jener Spekulation zu gebrauchen. 
Soweit das Messen in der Geographie eine Bolle spielt, ist es hauptsächlich an die 
Karte gebunden. Die Karte selbst ist das Produkt unzähliger Messungen im Gelände, 
die sich auf Lage, Dichtung, Größe, Höhe, Neigung, Anzahl, Umfang, Gestalt der auf 
zunehmenden Gegenstände beziehen. Selbstredend spiegeln sich derartige Meßergeb 
nisse nur in großmaßstabigen Karten wieder. Solchen Karten, wir wollen sie vorderhand 
Flurkarten nennen, begegnen wir bereits im alten China, Ägypten, Mexiko. Neben ihnen 
waren die andern kleinmaßstabigen Karten rein kümmerliche Versuche. Hettner 
macht darauf aufmerksam, daß gegenwärtig die Karten kleinem Maßstabs durch Deduk 
tionen von Karten großem Maßstabs entstanden sind. Das ist richtig; indessen erfährt 
seine weitere Darlegung nach dem, was ich soeben mitgeteilt habe, eine kleine Ein 
schränkung, wenn er sagt, daß der geschichtliche Gang der Entwicklung ein umgekehrter 
gewesen ist: von den Karten kleinern Maßstabs ist man allmählich zu den Karten 
großem Maßstabs gekommen. Im allgemeinen entspricht Hettners Auffassung den Tat 
sachen, wobei besonders zu betonen nicht vergessen bleibe, daß der Gang der Entwick 
lung von der kleinmaßstabigen Karte zur großmaßstabigen eng an die Vervollkomm 
nung der Aufnahmeinstrumente geknüpft ist, wie auch an den des Staatsorganismus, 
dessen wachsende Bedürfnisse (Grundsteuererhebungen usw.) allmählich zu einer ge 
nauen Aufnahme des Bodens und damit zur kartographischen Veranschaulichung dieser 
Messungen hindrängten. 
Dadurch, daß die Karte das Ergebnis einer vielseitigen Messung ist, erhält sie 
einen Wert, der weit über dem aller sonstigen in der Geographie gewonnenen Ergeb 
nisse hinausgeht. Ein Gefühl der Sicherheit wächst in dem, der seine Studien auf gut 
aufgenommene topographische Karten stützt, ganz gleich, ob er Geograph ist oder 
Soziologe oder Verkehrstechniker. Auch Hettner kommt zu dem Schluß, daß eine 
Gegend der Geographie erst durch die topographische Karte erobert wird. Bis jetzt 
kann man noch nicht bemerken, daß die großmaßstabige Karte in weitgehendstem 
Maße zu geographischen Studien herangezogen worden wäre. Das wird erst die neuere 
geographische Entwicklung bringen. Man lernt schon besser sehen und sich eingehender 
orientieren, wovon zweifellos neuere morphologische Karten ein gutes Zetignis ablegen. 
Mit der Aufnahme der Karte ist die Messung bei der Karte noch nicht erschöpft. 
Es ist das Eigenartige an ihr, daß sie als fertiges Kartenbild wiederum den Ausgang 
zu neuen Messungen bildet. Die topographische Karte in ihren verschiedenen Maß 
stäben wird zu Eintragungen von geologischen, morphologischen, wirtschaftlichen und 
andern Tatsachen gebraucht. Sie können, je nach Bedarf, auf dem Kartenblatt 
ausgemessen werden. Dasselbe geschieht auch mit physisch-geographischen und 
anthropogeographischen Erkenntnissen, die meistens auf Karten kleinem Maßstabs
	        
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