408
Die Landkarte und ihr Gelände.
stumpften Pyramiden von unregelmäßigem Querschnitt. Dringen hie und da Schluchten
in diese Bergkörper hinein, werden die Berge plastischer und anschaulicher, wie ein
zelne Gebirge auf Fra Mauros Weltkarte, 1457—1459. 1 Der Mantel des Pyramiden
stumpfes wird auf einigen Karten durch regelmäßig abwechselnde Billen gekerbt
und gefurcht, so daß die Bergblöcke wie „Napfkuchen“ aussehen; Böger spricht von
„muschelförmigen“ Bergen. Mit ihnen hat der als Bearbeiter von Nie. la Cusas
Deutschlandkarte bekannte Henricus Martellus Germanus gegen Ende des
15. Jahrhunderts einige seiner Karten geschmückt. II. 1 2 Diese Art Bergdarstellung fand
ich nochmals wieder, aber wesentlich verfeinert und plastisch herausgearbeiteter auf
einer Manuskriptkarte „Places fortes de l’Alsace“ in der Pariser Nationalbibliothek,
allerdings einer spätem Zeit angehörend, 1674—1677. Selten sind die Schollen über
einander gestapelt worden, so daß das Gelände terrassiert erscheint, wie die Assmirraei
montes (westliche Teile des Daurischen Gebirges) in der Ptolemäusausgabe von Bo
logna aus dem Jahre 1482. 3 In freier Weise wird dies Bergmotiv auf einem floren
tinischen Manuskript des 15. Jahrhunderts behandelt, das den Ararat mit der Arche
Noahs abbildet. 4
235. Die Grundformen der Geländedarstellung auf den Mönchskarten. Neben
der realistischen Bergdarstellung in Schollenform sind im Mittelalter Bergzeichnungen
versucht und geübt worden, deren viele zu Stenogrammen für Bergdarstellungen ge*
worden sind. Sie legen wie die Schollenform ein beredtes Zeugnis davon ab, daß man
die Natur nicht als etwas Totes und Verabscheuenswertes hinnahm, sondern als eine
Fundstätte für viele zeichnerische Anregungen. Unter den Bergzeichnungen lassen
sich sechs Grundformen herausschälen, auf die sich alle übrigen Bergdarstellungen
ohne Schwierigkeit zurückführen lassen. Diese sind:
i. fYYY'n
II. WWW
Zahn-, Zackenform
Bogen-, Lappen-, Schuppenform
IV.
ineinandergeschobene Zackenform
IIP
ineinandergeschobene Bogenform
V.
VI.
Wellenform
Backzahn-(Erdschollen-)form
Schon ein rein äußerlicher Vergleich führt dazu, auf die gegenseitige Verwandt
schaft aufmerksam zu werden. Ohne weiteres erkennt man, daß III und V Abarten
von I sind und IV eine Abart von II. Zuletzt ist ein einziges Formenelement, die
Bogenform, die Basis aller anderer. Von ihr ist die Zackenform nur eine ornamentale
1 In der Markusbibliothek zu Venedig.
2 Nordenskiöld: Periplus. S. 87b. — E. Oberhummer: Die ältesten Karten der West
alpen. Z. d. D. u. ö. A.-V. 1909, S. 3, Abb. 2; S. 5, Abb. 3. — Vgl. Aug. Wolkenhauer: Die älteste
Karte von Deutschland. Beil. z. Allg. Zeitg. 1905, Nr. 222. — E. Wieser: in Geogr. Z. 1905, S. 646, 711.
3 Auf der größten aller Portulankarten, der Seekarte des Bartolomeo Pareto aus Genua
vom J. 1455 [in der Vittorio-Emanuele-Bibliothek in Rom] findet sich eine ähnliche Gebirgszeichnung.
4 Lit. u. Bild (Abb. 144) vgl. J. Roger, a. a. O., S. 57.