Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
stumpften Pyramiden von unregelmäßigem Querschnitt. Dringen hie und da Schluchten 
in diese Bergkörper hinein, werden die Berge plastischer und anschaulicher, wie ein 
zelne Gebirge auf Fra Mauros Weltkarte, 1457—1459. 1 Der Mantel des Pyramiden 
stumpfes wird auf einigen Karten durch regelmäßig abwechselnde Billen gekerbt 
und gefurcht, so daß die Bergblöcke wie „Napfkuchen“ aussehen; Böger spricht von 
„muschelförmigen“ Bergen. Mit ihnen hat der als Bearbeiter von Nie. la Cusas 
Deutschlandkarte bekannte Henricus Martellus Germanus gegen Ende des 
15. Jahrhunderts einige seiner Karten geschmückt. II. 1 2 Diese Art Bergdarstellung fand 
ich nochmals wieder, aber wesentlich verfeinert und plastisch herausgearbeiteter auf 
einer Manuskriptkarte „Places fortes de l’Alsace“ in der Pariser Nationalbibliothek, 
allerdings einer spätem Zeit angehörend, 1674—1677. Selten sind die Schollen über 
einander gestapelt worden, so daß das Gelände terrassiert erscheint, wie die Assmirraei 
montes (westliche Teile des Daurischen Gebirges) in der Ptolemäusausgabe von Bo 
logna aus dem Jahre 1482. 3 In freier Weise wird dies Bergmotiv auf einem floren 
tinischen Manuskript des 15. Jahrhunderts behandelt, das den Ararat mit der Arche 
Noahs abbildet. 4 
235. Die Grundformen der Geländedarstellung auf den Mönchskarten. Neben 
der realistischen Bergdarstellung in Schollenform sind im Mittelalter Bergzeichnungen 
versucht und geübt worden, deren viele zu Stenogrammen für Bergdarstellungen ge* 
worden sind. Sie legen wie die Schollenform ein beredtes Zeugnis davon ab, daß man 
die Natur nicht als etwas Totes und Verabscheuenswertes hinnahm, sondern als eine 
Fundstätte für viele zeichnerische Anregungen. Unter den Bergzeichnungen lassen 
sich sechs Grundformen herausschälen, auf die sich alle übrigen Bergdarstellungen 
ohne Schwierigkeit zurückführen lassen. Diese sind: 
i. fYYY'n 
II. WWW 
Zahn-, Zackenform 
Bogen-, Lappen-, Schuppenform 
IV. 
ineinandergeschobene Zackenform 
IIP 
ineinandergeschobene Bogenform 
V. 
VI. 
Wellenform 
Backzahn-(Erdschollen-)form 
Schon ein rein äußerlicher Vergleich führt dazu, auf die gegenseitige Verwandt 
schaft aufmerksam zu werden. Ohne weiteres erkennt man, daß III und V Abarten 
von I sind und IV eine Abart von II. Zuletzt ist ein einziges Formenelement, die 
Bogenform, die Basis aller anderer. Von ihr ist die Zackenform nur eine ornamentale 
1 In der Markusbibliothek zu Venedig. 
2 Nordenskiöld: Periplus. S. 87b. — E. Oberhummer: Die ältesten Karten der West 
alpen. Z. d. D. u. ö. A.-V. 1909, S. 3, Abb. 2; S. 5, Abb. 3. — Vgl. Aug. Wolkenhauer: Die älteste 
Karte von Deutschland. Beil. z. Allg. Zeitg. 1905, Nr. 222. — E. Wieser: in Geogr. Z. 1905, S. 646, 711. 
3 Auf der größten aller Portulankarten, der Seekarte des Bartolomeo Pareto aus Genua 
vom J. 1455 [in der Vittorio-Emanuele-Bibliothek in Rom] findet sich eine ähnliche Gebirgszeichnung. 
4 Lit. u. Bild (Abb. 144) vgl. J. Roger, a. a. O., S. 57.
	        
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