Grund- u. Aufriß der Geländedarstellung von der Renaissance bis Ende des 18. Jahrh. 411
einheitliches Gepräge. Doch sind nicht alle Darstellungen über einen Kamm zu
scheren, und Entwicklungsmomente machen sich hier und da bemerkbar, die trotz
ihres schüchternen Auftretens eine eingehendere Untersuchung erheischen.
Die mit der Renaissance bekannt gewordene Erneuerung des Ptolemäus
prägt der Kartographie auf Jahrhunderte hinaus das Gepräge auf, oder ist, wie
E. v. Nordenskiöld im Faksimileatlas (S. 8) sagt: ,,The prototype of modern carto-
graphy“. Die Karte erhielt gegenüber den mittelalterlichen klösterlichen Erzeugnissen
neben größerm Betätigungsraum vor allem eine mathematische Basis (Gradnetz),
nördliche Orientierung und astronomisch festgelegte Werte. Der gesamte Inhalt
wurde nach ptolemäischen Vorschriften eingestellt. Ob jedoch die gesamte karto
graphische Zeichensprache im letzten Grunde auf Ptolemäus beruht, wie Lelewel 1 ,
Nordenskiöld, Oberhummer 1 2 u. a. glauben, möcht ich sehr bezweifeln, da Ptolemäus
das chorographische Material zu seinen Werken in der Hauptsache seinem vor ihm
verstorbenen Zeitgenossen Marinus von Tyrus verdankt. Marinus hat verschiedene,
ständig verbesserte Karten herausgegeben. Die große Karte, die die letzte Um
arbeitung seines Werkes krönen sollte, hat er selbst nicht zum Abschluß gebracht.
Vollendung und Ausbau hat er jüngern Kräften überlassen; Ptolemäus wollte die
Karte vollenden. 3 Offenbar ist Ptolemäus stark von Marinus beeinflußt worden und
sicherlich auch bezüglich der Signaturensprache. Wie weit nun Ptolemäus selbst
die kartographische Zeichensprache erfunden hat, läßt sich nicht feststellen. Wie
dem auch sei, die gedruckten Ptolemäusausgaben des 15. Jahrhunderts schlugen das
morsche kartographische Gebäude des Mittelalters in Trümmer und erzeugten in
kurzer Zeit neues und triebreiches Leben; denn man begnügte sich nicht bloß mit
der Reproduktion der Ptolemäuskarten, sondern vermehrte sie durch allerhand
Sonderkarten, die sich in Aufbau und Charakter den ptolemäischen tunlichst an
schlossen. 4
In den Ptolemäusausgaben werden die Berge im Auf- und Grundriß veran
schaulicht, vor allem jedoch im Aufriß oder in der Seitenansicht, die für ihre und
folgende Zeit zur Norm für die Terrainzeichner wird. Bei der Aufrißform handelt
es sich entweder um nackte Profilansicht, durch einfachen Strich oder farbige Fläche
zum Ausdruck gebracht, oder um wirkungsvoll herausgearbeitete Bergformen, indem
die Profilansicht verschiedenartig koloriert, schraffiert und schattiert wird. Dadurch
1 J. Lelewel: Géographie du moyen âge. Brüssel 1852. I. S. 125, 126.
2 E. Oberhummer: Die Entstehung der Alpenkarten. Z. d. D. u. Ö. A.-V. 1901, S. 25.
3 Vgl. die wichtigen Abschnitte über Marinus v. Tyrus und Ptolemäus in H. Berger: Geschichte
der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen. 2. Aufl. Leipzig 1903, S. 582ff und 616ff. Auch
Nordenskiölds Ausführungen über Ptolemäus würden wesentlich gewonnen haben, wenn das Bergersohe
Buch bereits zu jener Zeit erschienen gewesen wäre, als Nordenskiöld seinen Faksimileatlas zusammen
stellte. Die 1. Auflage von Bergers wissenschaftlicher Erdkunde erschien Leipzig 1887—1893. Die
Abhandlung ,,Die Grundlagen des Marinisch-Ptolemäischen Erdbildes“ wurde erst am 7. Mai 1898
(kgl. Sachs. Ges. d. Wiss.) veröffentlicht. — Auch in den Seminarübungen an der Universität Leipzig,
an denen ich teilnahm, betonte Berger des öftern die Abhängigkeit des Ptolemäus von Marinus und
Hipparch.
4 Vgl. die Straßburger Ausgabe des Ptolemäus vom Jahre 1513, die Martin Waldseemüller
(Waltzemüller,Hylacomylus) und dessen Freund Matthäus Ringmann (Philesius) besorgten. Den 27 Ptole
mäuskarten, in Holzschnitt ausgeführt, wurde ein Supplement um von 20 neuen Karten beigegeben,
die speziellere Landschaftsgebiete, wie das Elsaß u. a. m., darstellten. — Mau spricht auch von der
ersten (1507), zweiten (1513) und dritten Modernisierung des Ptolemäus. Vgl. Jos. v. Zahn: Steier
mark im Kartenbilde der Zeiten vom 2. Jahrh. bis 1600. Graz 1895.