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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
52. Das Kartenstciiogramm. In der Kartenliteratur begegnet man dann und
wann dem Ausdruck „Stenogramm“. Auch ich habe ihn gebraucht. Trotz der
„Klangmalerei“ hat er weder mit Diagramm noch Kartogramm etwas Wesens
verwandtes. Wenn er trotzdem erwähnt wird, geschieht dies nur der Vollständigkeit
halber, und es sei betont, daß er innerlich in ganz losem Zusammenhang mit vor
liegender Untersuchung steht. Im Diagramm und Kartogramm sind bestimmte
methodische Arbeitsrichtungen verkörpert, was man vom Stenogramm nicht be
haupten kann. Eine Art Methode steckt sicherlich im Stenogramm, aber die damit
verbundene konsequente Durchführung ermangelt ihm. Eine eng beschriebene
Schriftplatte der Karte kann man als Stenogramm bezeichnen. Die halbstumme
Karte, wenn nicht gar die ganz stumme Karte, könnte unter die Kategorie der Karten-
stenogramme aufgezählt werden. Zuletzt gehören die schnell hergestellten (flüchtig
hingeworfenen), mit allerhand Signaturen und Abbreviaturen versehenen Karten
hierher. Unter Umständen läßt sich im Stenogramm selbst dem Gesetz der großen
Zahl Genüge tun, indem charakteristische Züge im Kartenbild auf Grundlage von
Mittelwerten herausgearbeitet werden, ohne auf deren Vollständigkeit im Detail
großen Wert zu legen.
Während aber dem Diagramm und Kartogramm etwas Selbständiges und
Fertiges anhaftet, ist das Stenogramm stets unfertig. Es kann sich niemals selbst
genügen. So wird es immer den Auftakt zu einem zu vervollständigenden Karten
bild abgeben, was an und für sich ganz gut und nützlich ist, aber niemals befriedigen
wird. Ebenso wird es kaum die Grundlage zu anschließenden Deduktionen bilden.
53. Die vermeintliche geographische Methode der Statistik. Die oben behandelten
Kartogramme gestatten die Zahlenwerte absolut und relativ darzüstellen; das stati
stische Kartogramm im engern Sinne, das eigentliche geographische Flächenkarto-
gramm, ist mehr das Darstellungsbereich der relativen als der absoluten Zahl. Auf
diesem Kartogramm erscheinen statistische Durchschnittsverhältnisse, vorausgesetzt,
daß sie eine allgemeine Bezugnahme auf das zu untersuchende bzw. darzustellende
Gebiet gestatten, für sämtliche Länder eines Erdteils 1 oder sämtliche Abschnitte
eines Landes durch Farbe oder Schraffur bestimmt gruppiert. Das Kartogramm
wird um so großem Wert erhalten, je kleiner die territorialen Elemente sind, auf die
die statistischen Verhältnisse übertragen werden. Die Ermittlung größerer natür
licher Zusammenhänge und Gebiete aus den kleinern, durch die statistischen Durch
schnittswerte festgelegten Gebietsteilen nennt G. v. Mayr die „geographische Methode“
der Statistik. Die Begrenzung der großem natürlichen Gebiete greift vielfach über
die Provinzialgrenzen hinaus, bewahrt aber immer noch die Grenzen der kleinsten
Gebiete; aber durch die einheitliche Farbengebung stehen sie als Sonder-, eben als
Naturgebiete nach Mayr, den administrativ großem Gebilden gegenüber. Er bringt
selbst zum Ausdruck, daß er der erste sei, der die geographische Methode bewußt
angewendet und ausgebildet habe. 1 2 Aber dennoch hat er einen Vorgänger gehabt, und
zwar in A. Petermann, der lange vor ihm, wohl nicht für Spezialkarten, sondern
für generelle Übersichten, die geographische Methode der Statistik bei seinen zahl
1 z. B. Max Weitz: Salpeter-Consum Europas i. J. 1895 in 100 kg. Die Länder Europas
sind nach neun Stufen (darunter acht braune) je nach Konsum abschattiert. [Comm.-Bi. Hamburg.]
2 Vgl. die Karte der Kindersterblichkeit in Süddeutschland aus dem Jahrgange 1870 der Z.
des k. bayer. statist. Bureaus. Ein Bruchstück dieser Karte, Fig. XVIII, auch in der Schrift von
(r. Mayr. a. a. O.