Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Zur Geschichte der Seekarte. 
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Auf das Material, aus dem das Kartenblatt bestand, deutete ich oben schon 
hin. Die meisten Karten waren auf Pergament entworfen, später begegnen uns einige 
in Erz gravierte Exemplare. Die erstem hatten den Vorzug, daß sie gerollt werden 
konnten. In den Originalpergamenten verleugnet sich nicht, wie schon angedeutet, 
ihre Fellform; diese spiegelt sich selbst auf den meisten Reproduktionen wieder. Rein 
äußerlich betrachtet, war die technische Ausführung der Karten glänzend. An Farbe 
wurde nicht gegeizt, und neben Schwarz, Rot, Blau, Grün, Braun, Gelb wurden für 
wichtigere bzw. künstlerisch auszugestaltende Begleitfiguren gern Gold und Silber 
benutzt. Die Farbengebung macht den Eindruck, als ob sie an gewisse Regeln ge 
bunden gewesen sei. Das Rote Meer beispielsweise ,,rot“ auszumalen, wurde all 
mählich stereotyp. In der Hauptsache wurden die Namen — vorzugsweise Küsten 
punkte und Häfen — schwarz geschrieben; künstlerischer empfindende Kartenzeichner 
unterbrachen die schwarzen Namenreihen durch rote Einzelnamen. Diese Manier 
gehörte mehr der spätem Zeit an 1 , doch tritt sie sowohl bei italienischen wie kata 
lanischen Rumbenkarten auf. 
In der Namengebung und Namenstellung haben die alten Seekarten etwas für 
sich Eigentümliches, wodurch sie sich gleichfalls von spätem verwandten Gebilden 
unterscheiden. Die Beschriftung ging auf diese Weise vor sich, daß der Name ins 
Landinnere geschrieben wurde; jedoch so, daß sich der Name stets links an die Küste 
anlehnte und senkrecht zum allgemeinen Küstenverlauf stand. Hat man ein Blatt 
in nördlicher Orientierung vor sich, können lediglich die Namen der Westküsten 
gebiete sofort gelesen werden. Mit jeder großem Küstenbiegung ändert sich die 
Stellung der Namen, daß schließlich die Namen der Ostküsten denen der Westküste 
gegenüber auf dem Kopfe stehen. Mit andern Worten: Infolge der Namenstellung 
muß die Karte beim Gebrauch ständig gedreht werden. Über das Landinnere ver 
raten uns die Rumbenkarten in der Regel nichts. Nur hie und da deutet ein Haus 
oder eine Kirche auf einen bemerkenswerten Ort (Jerusalem, Rom usw.). Außerdem 
sind Fähnchen und Flaggen auf dem Küstenrand mit aufgepflanzt — ganz im Sinne 
der Beschriftung —, die die politische Zugehörigkeit des betreffenden Küstenstrichs 
andeuten. Ferner werden gern die acht Hauptwinde auf dem Rande des Karten 
bildes personifiziert wiedergegeben. Im übrigen war das Situationsbild der alten 
Rumbenkarte klar und übersichtlich. Das Ausfüllen der Meere mit Seeungeheuern 
und Schiffen, der Länder mit Flüssen, Bergen, Völkertypen, Heiligenbildern usw. 
gehört einer spätem Periode an. Nur wenige derartig ausgestattete Rumbenkarten 
melden sich aus älterer Zeit, wie die von Angelino Dulcert 1339 1 2 und eine Charta 
navigatoria auctoris incerti 1375 (Atlas Catalan) 3 , die sich auch wegen ihrer großem 
Maßstäbe (etwa 1:7000000) von den andern gleichzeitigen Rumbenkarten (etwa 
1 : 13000000) merklich abheben. 
Von den gleichzeitigen Mönchskarten und andern Landkarten unterscheiden sie sich 
wesentlich, daß man sie recht wohl als „vertrauenswürdige Gemälde“ (R. Andree) 
ansehen kann. Die Rumbenkarten waren die ersten kartographischen Werke, die aus 
den Kinderschuhen der Kartographie heraustraten. Sie waren autochthone Gebilde 
1 Man vgl. die in den Farben des Originals wiedergegebene Rumbenkarte in Nordenskiölds 
Periplus, T. XXV u. XXVI. Ferner eine Rumbenk. vom Ende des 10. .Jh. (W. Hiersemann, Leipzig, 
Katalog 476, Nr. 39, S. 7). 
2 Vgl. Nordenskiöld: Periplus, T. VIII. 
3 Vgl. Nordenskiöld: Periplus, T. XI.
	        
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