Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

Geschichtlicher Ueherblick. 035 
durch die dorthin übergesiedelten Griechen sich zu verbreiten 
anfingen, ohne doch bleibenden Boden zu gewinnen. 
Das alt-egyptische Priestercollegium bestand neben der 
alexandrinischen Schule anfangs noch fort, und Manetho ist 
ein daraus hervorgegangener Schriftsteller dieser Zeit. Eine 
Verbindung mit dem Museum hat jedoch nicht Statt gefunden; 
die Egypter bewahrten, so gut sie vermochten, ihre alten Tradi 
tionen. Nachdem Egypten römische Provinz geworden war, 
verlautete nichts mehr von diesen Bewahrern alt-egyptischer 
Weisheit. 
Allein auch das Museum hatte seinen glanzvollsten Tag 
gesehen; nur noch ein grosser Himmelsforscher, Claudius Ptole- 
mäus, ging aus ihm hervor. Er lebte unter Hadrian und 
Antoninus Pius, und das wichtigste seiner Werke, der bekannte 
Almagest, ist uns glücklich erhalten und bildet die Hauptquelle 
für unsere Kenntniss der alten Astronomie. Man hat ihm vor 
geworfen, dass er sich Entdeckungen zueigne, die Andere und 
namentlich Hipparch gemacht hätten. Allein er trägt keine 
Schuld an der Unkritik späterer Zeiten, die ganz zufrieden 
war, in Einem Buche alles zu finden, was zu einer Wissenschaft 
gehörte, und für die Ptolemäus in der Astronomie eben das 
ward, was Aristoteles in der Physik, Galen in der Arzneiwissen 
schaft, Euclid in der Mathematik, Justinian in der Jurisprudenz, 
u. s. w. — Einer solchen Zeit galt der Name, der auf dem 
Titel stand, für Alles im Buche enthaltene, mochte es auch 
noch so handgreiflich früheren oder auch späteren Ursprunges 
sein. Ptolemäus, wir wiederholen es, trägt nicht die Schuld 
an dieser Geistlosigkeit und Bohheit; er gab ein Lehrbuch, und 
wenn er uns in Ungewissheit lässt über den wahren Urheber 
jeder Beobachtung oder Entdeckung, so konnte er ein Plagiat 
nicht beabsichtigen in einer Zeit, wo die Schriften der anderen 
Astronomen noch vorhanden und ihre Namen bekannt waren. 
Da übrigens von den Schriften dieses Astronomen hauptsächlich 
nur der Almagest erhalten, alles Uebrige dagegen meistens ver 
loren gegangen ist, so wäre es um so ungerechter, ihm Ver 
nachlässigungen vorzuwerfen, die er vielleicht gar nicht be 
gangen hat. 
Der Mondstheorie erwähnen wir zuerst. Hipparch hatte 
bereits die vom elliptischen Laufe ahhängende Ungleichheit der 
Anomalie entwickelt; Ptolemäus fand eine zweite, die Evection. 
Er setzt die erste 5° 1/, die zweite 2° 39'. Die Summe beider 
stimmt sehr gut mit den heutigen Beobachtungen; allein die 
Evection muss fast auf die Hälfte herabgesetzt, die Anomalie 
um mehr als 1° vergrössert werden. Die dritte Ungleichheit 
von erheblichem Belange, die Variation, fand er nicht, da seine
	        
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