Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

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Vierzehnter Abschnitt. 
seiner Zeit, von demselben Forscher, der ans seiner eignen 
Beobachtung sehr bald erkannte, wie vortrefflich das Coperni- 
canische System mit dem Himmel übereinstimme? 
Wir fügen noch hinzu, dass auch in den Schriften gegen 
Tycho die vor 1604 erschienen, von diesem System nirgend die 
Rede ist und augenscheinlich Niemand es kennt. — Wir über 
lassen es Jedem, diesen Sachverhalt zu erwägen und fordern 
diejenigen, die uns heut noch das TycAonische System em 
pfehlen, hiermit auf, irgend eine Rechnung auf Grundlage des 
selben zu versuchen. *) 
Nur 7 Jahre nach Tycho 1 s Tode ward eine Entdeckung 
gemacht, die allen Naturwissenschaften, am meisten jedoch der 
Astronomie, zuStatten kam: —das Fernrohr. Denn 1608 
überreichte Lipyershey, ein Optiker zu Middelburg in Holland, 
den Behörden daselbst das erste Fernrohr mit der Bitte um ein 
Privilegium für Anfertigung und Verkauf des Instruments. Schon 
1609 verfertigte auch Zacharias Jansen ein ähnliches, und rasch 
verbreitete sich das wichtige Hülfsmittel, trotz der Bemühungen 
es geheim zu halten, über Europa. 
Anfangs ward das Fernrohr nur zur nähern Betrachtung, 
nicht zur eigentlichen Beobachtung von den Astronomen ge 
braucht, aber auch in dieser Beschränkung erregte es das 
grösste Erstaunen. Gleichsam mit Einem Schlage wurden jetzt 
Entdeckungen gemacht, wie sie nie erhofft worden waren. Wir 
treten mit ihm in ein neues Stadium der praktischen Astronomie. 
Tycho hatte das Höchste geleistet, was ohne Fernrohr geleistet 
werden konnte; mit seinen Beobachtungen war sein Ziel erreicht, 
das nicht hätte überschritten werden können ohne dieses neue 
Mittel. 
Zunächst hatten allerdings die Regierungen nur denYortheil 
ira Auge, den das Fernrohr für die Kriegführung haben könne: 
die Generalstaaten in ihrem Landkriege gegen Spanien, die 
Yenetianer im Seekriege gegen die Türken. Daher die den Er 
findern anfangs auferlegte Bedingung, nur für die Staatsbehörden 
zu arbeiten. Aber dies liess sich nicht halten; bald hörte man 
von Nacherfindern in verschiedenen Ländern und das Fernrohr 
trat in den Dienst friedlicher Wissenschaft, und dieser Dienst 
ist es, den wir zu schildern haben. 
*) In einem uns erhaltenen Briefe an den Wittenberger Mathematiker 
Peucer hatte Tycho gegen einige Sätze des Copernicus, welche die 
Epicyclen betrafen, Bedenken erhoben, und hier war er im vollen Rechte. 
— In seinen letzten Lebenstagen, während des Fieber-Deliriums, soll er 
an Kepler das Ansinnen gestellt haben, „sein System“ statt des Coperni- 
canischen anzuwenden. Vielleicht kann dies die räthselhafte Entstehung 
des Systems einigermaassen aufhellen.
	        
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