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Paradoxie von Galilei.
lieh kleine Kreis mit pn in den einzigen Punkt a zusammen,
und der unendlich schmale Ring von der Breite mr ver
wandelte sich in die bloße Umfangslinie des Kreises mit
dem Halbmesser ab. Daher man berechtigt zu sein schien
zu dem Schlüsse, daß der bloße Mittelpunkt a jedes be
liebigen Kreises mit ab so groß als die ganze Umfangslinie
desselben wäre.
Das Täuschende in diesem Schlüsse wurde vornehm
lich durch die Einmengung des unendlich Kleinen erzeugt.
Durch dieses nämlich wurde der Leser auf eine Gedanken
reihe geleitet, die ihn viel leichter übersehen läßt, wie vieles
Ungereimte in den Behauptungen liegt, daß von dem Kreise
mit pn, wenn statt des Punktes p zuletzt der Punkt a zu
betrachten kommt und gar kein Halbmesser wie pn mehr
vorhanden ist, doch noch der Mittelpunkt a bleibe,
und daß ebenso der durch den Abzug des Kreises mit dem
kleineren Halbmesser pm von dem Kreise mit dem größeren
Halbmesser pr entstehende Ring zuletzt, wenn beide Halb
messer und somit auch Kreise einander gleich werden, zur
Umfangslinie des vorhin größeren werde. Denn freilich
bei den unendlich kleinen Größen ist man gewohnt, die
selben Größen bald als einander gleich, bald wieder die
eine als um ein unendlich Kleines einer höheren Ordnung
größer oder kleiner als die anderen, bald auch als völlig
gleich der Null zu betrachten. Wollen wir schlußgerecht
verfahren, so dürfen wir aus der richtig angesetzten Gleichung
n . pn 2 = n • pr 2 — Ti - p m 2
welche die bloßen Größen (Flächeninhalte) der in Rede
stehenden Kreise vergleicht, nichts anderes schließen, als
daß für den Fall, wo pr und pm einander gleich werden,
der Kreis mit pn gar keine Größe habe, demnach gar nicht
vorhanden sei.
Wahr ist es freilich (und ich habe die zu dieser Wahr
heit führenden Prämissen § 41 selbst aufgestellt), daß es
auch Kreise mit und ohne Umfangslinie gäbe, und daß dies