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die Flut relativ am größten ist, wenn der Mond im Perigäum steht,
ist nach dem Gravitationsgesetze ohne weiteres klar.
Weit schwieriger ist es, die Abhängigkeit der Flutgröße von den
Deklinationen der anziehenden Gestirne unmittelbar einzusehen. Es
mag in dieser Beziehung nur das Folgende bemerkt werden. Ständen
Sonne und Mond stets im Äquator, dann würde eine große Flutwelle
gleichförmig ihren Rundlauf um die Erde vollziehen. Ständen hin
gegen die beiden Himmelskörper stets in den Weltpolen, dann würde
zwar auch an den Erdpolen eine Erhebung und am Äquator eine
Senkung des Weltmeers eintreten; allein diese Erhebungen und Sen
kungen würden trotz der täglichen Bewegung ruhig an ihrem Orte
verharren. Überall würden Ebbe und Flut sich in einem permanenten
Zustande befinden. — Nähern sich nun die beiden Gestirne mehr und
mehr dem Äquator, ändern sich also ihre Deklinationen, dann geht auch
der permanente Zustand allmählich durch alle möglichen Zwischenstufen
in den zuerst erwähnten äquatorialen Bewegungsznstand über — ein
Beweis, daß die Bewegung des Oceans von der jedesmaligen De
klination der Gestirne jedenfalls mit bedingt ist. — Außerdem ändert
sich die Schwere bekanntlich mit der geographischen Breite. Unter dem
Äquator haben die Wassermassen die geringste Schwere. Hier also
setzt der Gegenzug der Schwere der Erhebung der Wassermassen auch
den kleinsten Widerstand entgegen, so daß das Gestirn, wenn es im
Äquator steht, die relativ größte Erhebung hervorruft. Hierin liegt
ein anderer Grund für die Abhängigkeit der Flutgröße von den De
klinationen der anziehenden Gestirne.
Laplace, der die Theorie der Ebbe und Flut zuerst in größter
Allgemeinheit und wissenschaftlicher Strenge, sowie mit sorgfältigster
Berücksichtigung aller das Phänomen beeinflussenden Nebenumstände
begründete, hat für die Flutgröße einen Ausdruck entwickelt, dessen
Herleitung zwar der physischen Astronomie zufällt, den wir aber doch
seiner allgemeinen Bedeutung wegen, und weil er recht eigentlich den
Mittelpunkt der Laplaceschen Theorie bildet, hier mitteilen wollen.
Bedeutet: D die Deklination der Sonne,
A den mittleren Abstand der Sonne von der Erde,
Jsrael-Holtztvart, Nachträge. 2