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Sonderdruck aus der Zeitschrift „Vermessungstechnik“ Heft 1/1963
Die photogrammetrische Bestimmung von Pardunendurchhängen
Von Dipl.-Ing. H.MÜLLER (KDT), Falkensee
DK 528.74 : 624.972
1. Einsatz der terrestrischen Photogrammetrie
Die trigonometrischen Messungsverfahren zur Bestim
mung von Pärdunendurchhängen erfordern auf Grund
der Vielzahl der anzumessenden Punkte einen großen
Zeitaufwand. Während dieser Zeit für die örtlichen
Messungen unterliegt das gesamte Bauwerk ständigen
Veränderungen, die durch meteorologische Einflüsse
hervorgerufen werden.
Entscheidende Faktoren sind einmal der Wind in Stärke
und Richtung und zum anderen die Sonneneinstrah
lung, durch die eine mit der Sonnenbewegung fort
schreitende Verbiegung der Konstruktion nach der
Schattenseite hin erfolgt.
Die Zeitspanne zwischen den Anzielungen in den ein
zelnen Fernrohrlagen bzw. zwischen dem Beginn und
Ende der Messung bewirkt daher, daß die Messungen
am Bauwerk nicht auf eine bestimmte Beobachtungs
zeit in bezogen werden können. Eine solche Forderung
muß aber für ein sich bewegendes Objekt immer ge
stellt werden.
Mit Hilfe der terrestrischen Photogrammetrie gelingt
es jedoch, für jedes Instrument eine Pardunenebene in
ihrer Gesamtheit für den gleichen Zeitpunkt auszumes
sen. Will man nun das ganze Bauwerk gleichzeitig er
fassen, so ist der Einsatz von drei Phototheodoliten not
wendig', die zur gleichen Zeit belichtet werden müssen.
Bei der großen Entfernung der Instrumente unterein
ander bereitet die Erfüllung dieser Forderung einige
Schwierigkeiten. Die günstigsten Voraussetzungen kön
nen durch Einsatz von Feldfernsprechern oder UKW-
Sprechgeräten geschaffen werden.
Bei den von uns durchgeführten Versuchsmessungen an
einem 350 m hohen Stahlgittermast in Zehlendorf bei
Berlin mußten wir auf die angeführten Hilfsmittel ver
zichten.
Die Bereitschaft zur Messung wurde durch optische Si
gnale angezeigt. Ein Einweiser an einem Theodolit ver
folgte mit seinem Instrument die geringen Mastschwan
kungen. Die Belichtung der Photoplatten geschah im
Umkehi’punkt einer senkrecht abgeschossenen Rauch
spurpatrone.
Dieses Verfahren ist als Notbehelf gut geeignet und hat
für unsere Zwecke völlig ausgereicht. Die Rauchspur ist
auf den Meßbildern zu erkennen, wodurch sich un
schwer die Gleichzeitigkeit des Belichtungsmomentes
kontrollieren läßt.
1.1. Die Arten des Einsatzes
Im Hinblick auf die sich einfach gestaltenden Aus
wertearbeiten am Meßbild sollte versucht werden, die
Bildebene des Phototheodoliten parallel zur Pardunen
ebene aufzustellen.
Diese Forderung macht einige geodätische Vorarbeiten
notwendig. Sie sind jedoch nicht allzu umfangreich, da
auf einer Baustelle durch Absteckungs- und andere
Vermessungsarbeiten ausreichend viele Hilfspunkte im
Gelände koordinatenmäßig bestimmt sind (Bild 1).
Die Grundforderung für die Anwendbarkeit der terre
strischen Photogrammetrie bei derartigen Bauten ist die
Sichtfreiheit nach den Aufhängepunkten. Da man als
Abstand vom Objekt etwa die doppelte Bauhöhe anzu
setzen hat, wird dieser Forderung nicht leicht nachzu
kommen sein. Es sei denn, es gelingt, für den Photo
theodoliten einen genügend hohen Standpunkt ausfindig
zu machen.
Für die Aufnahme sowie für die Auswertung ergeben
sich hierbei drei Möglichkeiten:
a) Die Einbildauswertung im Noi'malfall
Hierbei wird vorausgesetzt, daß Platten- und Par
dunenebene parallel stehen.
b) Der Konvergenzfall
Er tritt ein, wenn es aus Platzgründen nicht möglich
ist, die Parallelität zwischen Platten- und Pardunen
ebene herzustellen und beide Ebenen konvergieren.
c) Die Stereoaufnahme
Sie erfolgt nach den Grundsätzen der Stereophoto
grammetrie, wobei die unterschiedlichen Brenn
weiten beider Kammern berücksichtigt werden müs
sen, da auch hier die Forderung nach gleichzeitiger
Belichtung bestehen bleibt.
2. Genauigkeitsbetrachtung
2.1. Allgemeine Genauigkeit und Normalfall
Die photogrammetrischen Verfahren bedürfen noch
einer Betrachtung über die etwa zu erwartende Ge
nauigkeit in der Auswertung. Zu berücksichtigen sind
folgende Faktoren:
a) Die Einstellgenauigkeit des Auswertegerätes.
b) Das Auflösungsvermögen der Schicht.
c) Das Auflösungsvermögen des Objektivs.
d) Die Verzeichnung des Objektivs.
e) Maßstabsfehler.
2.1.1. Einstellgenauigkeit des Aus
wertegerätes
Die Einstellgenauigkeit am Einbildkomparator sowie
am Stereokomparator unter Benutzung nur des linken
Bildträgers kann auf Grund angestellter Versuchsmes
sungen als gleich genau angenommen werden.
Sie beträgt bei gut einstellbaren Punkten etwa 10 /tm
und bei weniger scharfen Konturen ungefähr 18 bis