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Max von Enyth.
liches Aufsehen erregt. An anderer Stelle dieſes Buches (vgl. S. 27) ist
das Prinzip derartiger Gasmaſchinen ein wenig genauer behandelt worden.
Die Lenoirſche Erfindung aber schien eine faſt umwälzende Bedeutung
für das Maſchinenweſen gewinnen zu ſollen, und mannigfach bemühte
man ſich, das geheim gehaltene Prinzip der Gasmaſchinen zu ergründen.
So experimentierte denn auch der Besitzer der Kuhnſchen Fabrik und
mit ihm unſer Freund Max Eyth daran herum, Lenoirs Erfolg selbständig
zu ergründen und ebenfalls eine brauchbare Gasmaſchine zu erfinden. Eyth
hat auch über dieſe Epoche seines Lebens späterhin mit seinem unverwüſt-
lichen Humor getreulich Bericht erstattet. Möge seine von köstlicher Selbst-
ironie gezeichnete Schilderung hier ebenfalls folgen:
„Man baute im Jabrikhof eine fensterloſe Bretterbude, zu der, nahezu
bei Todesstrafe, niemand außer mir und zwei Monteuren Zutritt hatte.
Dort wurde die neue Maſchine zuſammengeſstellt und in der Dämmerung
einer Sommernacht, nachdem die Fabrik von allem, was Odem hatte, ver-
laſſen worden war, zum erstenmal verſucht. Es war eine unvergeßliche
Stunde. Gasmaſchinen jener Zeit mußten ein- oder zweimal von Hand
gedreht werden, ehe ſie in Gang kommen konnten. Dies verlangte schon die
Theorie. Dagegen waren wir in völligem Dunkel darüber, ob bei der nun
zu erwartenden Exploſion der eingeſaugten Gase ein Druck von einer oder
von fünfzig Atmosphären entstehe, ob die Maſchine sich wie eine tollge-
wordene Kanone oder wie ein toter Eiſenklumpen benehmen würde. Dazu
die kniſternde elektriſche Zündung, von der wir alle nichts verſtanden. Es
war dämoniſch.
„Die Türe der Geheimbude wurde weit geöffnet, um ſich im entscheiden-
den Augenblick, wenn möglich, retten zu können. Kuhn stand im Freien, in
der, wie er hoffte, ſicheren Entfernung von fünfzehn Schritten. Fünfzehn
Schritte hinter ihm stand seine treue, aber neugierige Frau, die ihren Gatten
in der ernſten Stunde nicht verlaſſen wollte. Ich und einer der zwei Mon-
teure waren bereit, uns zu opfern, und drehten das Schwungrad. Bei der
zweiten Umdrehung ſollte der Theorie nach die erſte Exploſion erfolgen,
die Maſchine zu laufen beginnen oder alles zertrümmern. Nichts dergleichen
geſchah. Wir drehten in banger Erwartung fünf-, sechsmal. Unser Mut
wuchs. Wir drehten mit aller Kraft und schneller. Bei der zehnten Um-
drehung erfolgte ein furchtbarer Knall, den ein mephistiſcher Geruch begleitete.
Das Schwungrad entriß sich unſern Händen; die Maschine machte zwei
zuckende Umdrehungen und blieb dann stehen, als ob nichts geschehen wäre.
Wir aber gingen nachdenklich und etwas erleichtert nach Hauſe, denn alles