Full text: Die organischen Nahrungstoffe und ihr Verhalten im Zellstoffwechsel (1. Teil)

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A.v. Baeyer!) hat die Hypothese aufgestellt, daf) als erstes Assimi- 
lationsprodukt der Formaldehyd in Betracht kommt. CO, 4 H,0 = 
HCOH-r-O,. Nach dieser Formel würden Kohlensäure und Wasser unter 
Freiwerden von Sauerstoff vereinigt. Der gebildete Formaldehyd könnte nun, 
da er an und für sich sehr reaktionsfähig ist, im Mittelpunkt aller mög- 
lichen Synthesen stehen. Wir haben bereits?) hervorgehoben, daß es ge- 
glückt ist, im Laboratorium aus Formaldehyd durch Polymerisation eine 
Hexose zu bereiten: 6 x HOOH — C,H,,0,. Der in der Pflanze gebildete 
Traubenzucker kónnte dann unter Wasseraustritt mit anderen Glukose- 
molekülen zusammen zu Stürke vereinigt werden. Würden sich nur fünf 
Formaldehydmoleküle vereinigen, dann kámen wir zu Pentosen. Man 
kónnte auch an die Entstehung einer Triose, z. B. der früher erwáhnten 
Glyzerose5), denken und diese in den Mittelpunkt ungezàáhlter Syn- 
thesen stellen. 
Während noch vor kurzem zahlreiche andere Möglichkeiten von ersten 
Assimilationsprodukten in Frage kamen, entheben uns die Seite 86ff. mit- 
geteilten Ergebnisse von Willstätter und Stoll weiterer Erörterungen. Sie 
decken sich in allen Einzelheiten mit der Annahme des Formaldehyds als 
erstem Assimilationsprodukt. *) 
Mit der Assimilation von Kohlensäure und Wasser unter Vermittlung 
des Chlorophylls und der Wirkung der Sonnenstrahlen als Energiequelle ist nicht 
nur die erste Synthese von organischer Substanz im Reiche der Organismen 
verknüpft, sondern gleichzeitig auch die Asymmetrie der Zellbau- 
steine und der meisten organischen Verbindungen im Pflanzen- 
und Tierreich überhaupt. Wir haben bereits darauf hingewiesen 5), 
daß die in der Natur vorkommenden Kohlehydrate asymmetrische Kohlen- 
stoffatome besitzen. Auf ihrem Vorkommen beruht die optische Aktivität 
dieser Verbindungen. Außer den Kohlehydraten sind noch zahlreiche an- 
dere Verbindungen durch den Besitz asymmetrischer Kohlenstoffatome aus- 
gezeichnet. Mit ganz verschwindend geringen Ausnahmen findet sich von 
den optisch-aktiven Formen immer nur eine bestimmte Komponente in 
der Natur vor. So treffen wir immer d-Glukose an, ferner d-Galak- 
tose usw. Razemkórper, d. h. Verbindungen, die durch das Vorkommen 
von gleichen Mengen links- und rechtsdrehender Komponenten optisch-in- 
aktiv sind — die beiden gleich großen, jedoch entgegengesetzt gerichteten 
Drehungen heben sich auf — kommen in der Natur fast gar nicht vor. 
Die Pflanze nimmt mit der Kohlensäure eine Kohlenstoffverbindung 
auf, die kein asymmetrisches Kohlenstoffatom besitzt. Mit der Assimilation, 
d. h. mit der ersten Synthese setzt die Asymmetrie ein. Die Pflanzen- 
zelle vollführt die erste asymmetrische Synthese. Die einmal er- 
worbene Asymmetrie der organischen Verbindungen überträgt sich mit 
dem Futter auf den tierischen Organismus. 
Man hat viel darüber nachgedacht, wie die asymmetrische Synthese 
in der Organismenwelt bei der Assimilation der Kohlensäure zustande- 
  
1) A. v. Baeyer: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 8. 63 (1870). 
2 Vgl. 8.18. 
8) Val. S. 18. 
4) Vgl. die gesamte einschlägige Literatur bei R. Willstätter und A. Stoll: 1. c. 
Julius Springer. Berlin. 1918. 
8) S. 19. 
 
	        
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