Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 363
bindungen, die ihn enthalten. Hat sich somit die Hoffnung, auf einem
einfachen Wege aus Peptongemischen Polypeptide abzutrennen, auch nicht
erfüllt, so ist es doch in einer ganzen Reihe von Fällen gelungen, aus
Peptonen Produkte zu gewinnen und zu reinigen, die sich als chemisch
einheitlich erwiesen. Sie konnten ferner mit den entsprechenden, die
gleichen Aminosäuren und in gleicher Menge besitzenden, synthetisch be-
reiteten Polypeptiden identifiziert werden.
Mit dieser Feststellung ist bewiesen worden, daß unter
den Peptonen sich Verbindungen finden, die zu den Polypep-
tiden gehören und ferner, daß im Eiweißmolekül Aminosäuren
säureamidartig verkettet sind. Es ist wohl möglich, daß die Peptone
überhaupt nur ein Gemisch der verschiedenartigsten Polypeptide darstellen,
in denen stets die eine Aminosäure mit ihrer Aminogruppe in das Kar-
boxyl der anderen eingreift. Es ist aber auch sehr gut denkbar, daß noch
andere Bindungsarten von Aminosäuren vorhanden sind. Vor allem dürften
die Oxy-aminosäuren Abwechslung in das sonst gleichförmige Bild der
Struktur der Proteine und ihrer zusammengesetzten Abbaustufen bringen.
Auch die Diamino- und Dikarbonsäuren lassen verschiedenartige Bin-
dungen zu. Vor allem. kann bald eine Karboxyl- bzw. eine Amino-
gruppe frei bleiben, oder es sind alle verfügbaren Bindungsmiglichkeiten
ausgeniitzt.
Das erste Polypeptid, das bei der Hydrolyse von Eiweib erhalten
worden ist, war ein aus Glykokoll und Alanin bestehendes Dipeptid, das
sich als Glyzyl-d-alanin erwies:
NH, .CH,. C0. NH . CH(CH,) . COOH.
Es wurde erhalten! ?), als Seidenfibroin mit 709/,iger Sehwefelsáure drei
Tage bei Zimmertemperatur hydrolysiert wurde. Der Abbau geht hierbei nicht
vollständig bis zu Aminosäuren. Die Isolierung des Dipeptids erfolgte nicht
auf direktem Wege. Es wurden vielmehr die Abbaustufen zunächst in der schon
geschilderten Weise in die Esterchlorhydrate übergeführt. Die aus diesen
gewonnenen freien Ester zeigten nach einiger Zeit kristallinische Abschei-
dungen. Es hatten sich Anhydride gebildet. Diese können auf zwei Arten
entstehen, einmal aus Estern der Aminosäuren und dann aus solchen von
Dipeptiden. Die erstere Möglichkeit mußte durch Entfernung der Amino-
säureester durch Ausäthern ausgeschlossen werden. Das beobachtete Anhydrid
konnte nunmehr nur noch aus einem Dipeptidester sich gebildet haben. Zu
seiner Identifizierung dienten zunächt seine Eigenschaften, vor allem sein
Drehungsvermögen. Ferner konnte es zum Dipeptid aufgespalten und schließ-
lich auch in seine Bausteine zerlegt werden. Es zeigte sich, daß Glykokoll
und d-Alanin an seinem Aufbau beteiligt waren. Das beobachtete An-
hydrid war somit Glyzyl-d-alaninanhydrid bzw. d-Alanyl-glyzin-
anhydrid.?) Aus welchem Dipeptid es enstanden war, ob aus Glyzyl-d
alanin oder aus d-Alanyl-glyzin, konnte nieht entschieden werden, weil
beide Dipeptide das gleiehe Anhydrid liefern. Schon diese Feststellung be-
1) Emil Fischer und Emil Abderhalden: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 39.
752 (1906).
?) Emil Fischer und Emil Abderhalden: Ebenda. 39. 2315 (1906). — Emil
Abderhalden und Akikazu Swwa: Zeitschr. f. physiol. Chem. 66. 13 (1910).
3) Vgl. aueh. Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 130. 207 (1922).