Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

fähr gleichzeitig. Den Bildsinn deutet schon der Ort der Aufstellung an. 
Außerhalb des geweihten Raumes, hoch am Turm „in die Stürme hin— 
eingesetzt,“ gegen Norden blickend, auf einem schweren Streitroß mit 
geputzter Mähne sitzt der jugendliche Ritter und erhebt die rechte Hand 
wie zum Gruße“. An seiner linken Seite hängt das Schwert. Ohne eine 
Krone zu tragen, hat er ein vornehmes Wesen. Benennungsversuche 
sind vergebens, da er keine Andeutung gibt. Aber er ist eine weltliche 
Erscheinung, ein Ritter, dessen Miene und Blick Willensstärke und 
Machtbewußtsein ausdrückt, dessen erhobener rechter Arm mit der offen 
ausgestreckten Hand nicht so fast einen freundlichen Gruß, sondern viel⸗ 
mehr gegen Norden hin eine Beschwörung zur Abwehr seindlicher dä⸗— 
monen sendet. 
Der Züricher Reiter, der deutschen Kunstwissenschaft fast unbekannt, 
gehört dem Gedankenkreise des wilden Jägers an. So gefällig seine Er— 
scheinung ist — der Fürst diefer Welt ershheint gewöhnlich in Herrlich— 
keit — er stellt das Bild des die Welt und die Naturgewalien beherr⸗ 
schenden Weltdämons dar, der den feindlichen Dämonen, den Gewitter— 
stürmen gebietet. Da handelt es sich um den heute noch im Volke leben— 
digen Glauben an die Zauberkraft des Bildes. 
Im Unterschied zu ihm trägt der Bamberger Reiter eine Krone, aber 
keine Waffe. Gemeinsam ist beiden die schöne Gestaltung, die fürstliche 
Erscheinung. Aus der jetzigen und aus der vermutlich zuerst geplanten 
Aufstellung des Bamberger Reiters können keine Schlüsse gezoögen wer— 
den. Seine Bedeutung wird durch die Bilderschrift feines Sockels ent— 
rätselt werden, diese äber mußte „lesbar“ sein, so daß der Reiter nicht 
allzuhoch aufgestellt werden durfte. 
Warnbilder 
Den Gedanken, der Bamberger Reiter sei ein Abwehrbild im Sinne 
alter Naturgläubigkeit, lassen wir fallen. Nun besteht die Möoglichkeit, 
daß er als Mahn- oder Warnbild aufzufassen ist. Der Erinnerung au 
die Heilsgeschichte oder als Denkmal dient er nicht. Irgend einen Zweck 
muß das Bild haben, eine Aufgabe erfüllen; so verlangte es die mittel— 
alterliche Einstellung. Kunst ohne Zweck, Kunst nur um ihrer selbst wil— 
len, ist eine dem Nichtskönnen enigegenkommende Erfindung des see— 
lenlosen Rationalismus. 
Die Symbolik des Kirchengebäudes sah sowohl am Chorbogen, der 
das Allerheiligste vom Laienraͤum trennte, wie um so mehr am Poͤrtale 
zur Außenwelt den geeigneten Platz für Warnu- und Mahnbilder. Hier 
wie dort finden wir die Weltgerichtsdarstellungen, die warnenden Lo 
wen, von anderen Zeichen zu schweigen. „Draußen“ ist nicht nur das 
Sündhafte, sondern auch das Weltliche. Auch das Letztere soll nicht ins 
Heiligtum hinein getragen werden. Außen am Portale und an den 
Wandͤflächen wurdeé die Welt, Imago mundi, dargestellt, oft in vielen 
Einzelbeispielen wie Elementen, Winden, Weltgegenden, Jahreszeiten, 
Monatsarbeiten, Berufen, Lastern und Torheiten, Pflanzen, Tieren 
und Monstren. Das geschah in erzieherischer Absicht, machte aufmerksam 
auf die Grenze zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Die ins Hei— 
ligtum eintreten, sollen die Welt und ihre Sorgen draußen lassen; keh— 
ren sie nach dem Gottesdienst in die Welt notwendigerweise zurück, in 
der sie doch leben, ihren Lebensunterhalt suchen, ihren Beruf erfüllen 
müssen und wo sie sich des Lebens freuen, sich laben und ergötzen kön— 
nen nach Herzenslust, da sollen sie die Treue zum alleinigen Gott und 
Herrn bewahren und die Gefahren des Mißbrauches und des über— 
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