1. Christus der Auferstandene. F Wien ist an dieser Stelle Sam—
son über dem Löwen, das typische Bild der Uberwindung des Todes,
der Befreiung der Seelen aus der Unterwelt, das Vorbild der Aufer—
stehung Christi und der Toten.
2. Ein Kentaur schießt einen Pfeil vom Bogen; die Zurückwendung
des Oberleibes, das Schießen nach rückwärts ist uralte, auf den Tier—
kreisbildern vorkommende Darstellung, aus der rein künstlerischen Ab—
sicht hervorgegangen, Raum zu sparen und das Bild zusammenzufas⸗
sen. Dieser Kentaur schießt nicht, wie von Sighart bis Sauer (S. 440)
ohne Prüfung nachgeschrieben wird, auf einen guten Hirten, der gar
nicht vorhanden ist. Das Bild ist für sich Der Kentaur darf in romani—
scher Auffassung stets als Bild des Teufels, als Personifikation des
Todes verstanden werden. Der Teufel ist „der Menschenmörder von
Anbeginn“, durch den Teufel ist der Tod in die Welt gekommen. Der
Kentaur versinnbildet die unentrinnbare, allvernichtende Gewalt des
Todes. Es muß einmal die ikonographisch wichtige, aber bisher nicht
beachtete Tatsache festgestellt werden, daß der Teufel in Kentaurenge—
stalt dem hl. Antonius in der Wüste nicht als Verführer zur Fleisches—
ust, sondern als Bild des drohenden Todes erschienen ist, um ihn zu
erschrecken und zu entmutigen; zumal auf der Wanderung durch die
Wüste, um den hl. Einsiedler Paulus aufzusuchen, wobei Antonius bei⸗—
nahe vor Durst und Müdigkeit zusammengebrochen wäre. Da nahte ihm
der Kentaur als Todesangst. Das Bild des meistens mit todbringenden
Waffen drohenden Kentauren ist kaum geeignet, eine Lust zu erregen,
vielmehr schreckt es zu Mutlosigkeit und Verzweiflung. Kurz, der Ken—
taur ist der Tod, der in Wien an der gleichen Stelle durch einen Greifen
dargestellt ist, der auf einem Menschen liegt. Da hat der Tod sein Opfer
niedergeschlagen. Wie der Kentaur, so bedeuten im romanischen Mit—
telalter auch Greif und Löwe oft die Gewalt des Teufels als Tod.
„Leo mortis figura“ sagt die Umschrift am Samsonbilde des Veroͤuner
Altares in Klosterneuburg.
Die Bilder vom Tode und seiner Uberwindung gehören zusammen,
ebenso die folgenden zwei Bilder.
3. Ein Sitzender; die sehr verstümmelte Figur stellt gewiß keinen
Guten Hirten“ dar. In Wien ist an gleicher Stelle eine herrliche Sitz-
figur, die von weitem an den antiken Dornauszieher erinnern mag,
aber nichts mit ihm gemein hat. Die Gögginger Gestalt hockt, die Beine
und der xechte Arm fehlen, die linke Hand scheint auf das Knie gestützt
zu sein. Solche Sitzfiguren kommen in der romanischen Bauplastik sehr
häufig vor, sie kauern und hocken in Nischen und Rundbogen, an Ge—
iimsen, Kapitellen und Sockeln, oft zwischen bewachenden und bedrohen—
den Löwen und Drachen, in ruhender Haltung, die Hände auf den
Knien oder zum „Gebälk“ erhebend, bedrückt und verkrümmt. Auf sie
treffen die Psalmworte (106, 10 f.): „Sie saßen in Finsternis und To—
desschatten, gefangen in Elend ... Aber sie riefen zum Herrn in ihrer
Trübsal und er rettete sie aus ihren Nöten und führte sie heraus ...“
Wir sehen in diesen Sitzfiguren die im Tode, in Hölle oder Fegfeuer
gefangenen Seelen, sie mahnen, den Verstorbenen durch Gebet und
Opfer Hilfe zu bringen. In unserem Falle gibt die Zusammenstellung
mit den Bildern des Todes und der Auferstehung dieser Erklärung
recht, sowohl in Gögging als auch in Wien. Und dazu fügt sich in Gög—
ging gedanklich ie das vierte Bild.
1. Für das vierte Bild fehlt in Wien die ursprüngliche Entsprechung.
Wir sehen im letzten Kasten eine Frauengestalt, die in der Rechten