Im zweiten Bilde dreht ein mit langem Rock bekleideter Mann ein
sechsspeichiges Rad. Eine weilöpfige Gestalt ist mit Bändern um Hals
und Füße an die Speichen des Rades gefeffelt. Von den zwei Köpfen
ist der eine bärtig, der andere bartlos. Die Zweiköpfigkeit an sich macht
noch keinen Janus. Daß es sich aber hier um Janus gleich Januar
handelt, um den Wechsel des alten (bärtigen) mit dem jungen (bart—
losen) Jahre, um das von Chronos getriebene Rad der Zeit, ist aus
der Zusammenstellung mit der Nebenfigur einwandfrei zu ersehen. Zu—
vor möchten noch die Schlangen erwähnt sein, die sich um die wagrecht
stehenden Speichen winden. Als Symbole der Lüge mahnen sie an den
Trug der augenblicklichen Gegenwart, die sofort unwiederbringlich in
die Vergangenheit versinkt. Nach links geht weg vom Janusbilde eine
ganz in Pelz gehüllte Gestalt. Sie bedeulet den Winter. An die von der
Kirche bekämpften Vermummungen in Tierfelle bei der deutschen Neu—
jahrsnacht kann dabei gedacht sein. Rechts hinter der vermummten Ge—
stalt, in gleicher Kopfhöhe, fliegt ein großer Schneeball heran. Man
denke an die Spiele des Winteraustreibens. Das zweite Relief gilt
dem Januar mit Neujahr und Winters Abschied.
Nachtrag
In der Zeitschrift Kirchenkunst“, Verlag R. M. Rohrer, Ba—
den bei Wien, 9. Jahrgang, Heft 4, 1937, Seite 92, ff., „Nachrichten der
Zentralstelle für Denkmalschutz im Bundesministerium für Unter—
richt“ Nr. 3, 1937, berichtet Dr. Fritz Novotny über „Neue Entdeckun—
gen in der Kirche von Schöngraͤbern“. Anläßlich der Wiederherstel⸗
lungsarbeiten 1937 wurden an den Basen der Triumphbogenpfeiler
Reste von Tierskulpturen aufgedeckt. In der Apsiswölbung über dem
Hauptaltar fand man den überrest eines Figurenreliefs naͤch Art und
Arbeit der Außenbilder, wahrscheinlich eine thronende Mutter Gottes
mit dem Christuskinde zwischen Engeln oder Heiligen; ferner kamen
Wandmalereien des vierzehnten Jahrhunderts, dabei ein Schutzman—
telbild zu Tage. Der von dieser Bildauslegung behandelte Bestand an
Skulpturen wurde durch diese Funde nicht verändert oder ergängzt.
Benütztes Schrifttum
A. A. Endres, Die Skulpturen an der Kirche von Schöngrabern, Die
Christliche Kunst, München, 7. Jahrgang, 1911, S. 307, ff.
Janasz Pamer, Einiges über die romanischen Symbolsprache ..., ebenda
21. Jahrgang, 1925, S. 168, ff.
R. K. Donin, Schöngraberns romanische Kirche, Hollabrunn, 19, 18.
Fritz Novotny, Romanische Bauplastik in Ssterreich, Wien, 1930.
Wiebel, Das Schottentor lin Regensburg), Augsburg, 1937; wo darin die
Bildwerke von Schöngrabern erwähnt sind, folgte ich noch der Ausdeu—
tung von Endres.
Zu größtem Dank verpflichtet bin ich dem hochwürdigen Herrn Pfarrer
Karl Köstler in Schöngrabern für die zuverlässige, gründliche Beantwor—
tung meiner Anfragen.
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