los!“). Wie beim Irrlehrer und beim Möorder erscheint auch hier der
Teufel, diesmal gerufen vom Zauberer. Die ernstliche Gestaltung des
Mannes scheint einer geachteten Perfonlichkeit zu gelten.
Ich denke an Virgil, den das Mittelalter ehrte als Lehrer der Weis—
heit (Dante!), den es als Seher gelegentlich den alttestamentlichen Prophe—
ten beigesellte. Aber doch bildete die mittelalterliche Sage die Vorstellung
von dem angesehenen Dichter ins Allzumenschliche um; seine Schwäche
kommt zur bildlichen Darstellung, wie er von der Buhlerin in einem Korbe
aus dem Haus herabgelassen wird (Molsdorf, Nr. 854, 990; Sauer, S. 406,
466). Virgil war trotz aller Vorzüge ein Heide, deshalb schrieb man sein
Wissen und seinen Fernblick in die Zukunft dem Teufel zu. Seine Dich—
tungen gebrauchte man zu abergläubischen Zwecken (sortes vergiliange).
In Volksbüchern erscheint er als Wundertäter und Zauberer. Bis Ende
des siebzehnten Jahrhunderts wurde in Florenz sein Zauberspiegel gezeigt.
Zur Zauberei wurde eine Kristallkugel gebraucht, die an einem Zauberstab
befestigt sein konnte (vergl. Vergil in Herders Konv.-Lex.).
6. Der Götzendiener. An der Umbiegung des Kämpferfrieses
richtet sich ein Teufelswesen adlerartig auf. Das Bild ist überaus phan—
tastisch und unklar, Galt der Adler als Symbol des Imperiums, so gibt
diese Darstellung die Entstellung, das Bild des Teufels als Fürsten
dieser Welt. Der Block ist e abgeschnitten; ein Blatt fetzt am
Rande an, vielleicht das stilisierte Schwangende einer Schlange, die sich
unter der folgenden Männergestalt durchwindet und sie ins Bein sticht.
Dieser Mann fällt oder kriecht, trägt eine anliegende Haube (2), ist
bartlos und schaut verblödet drein; sein Gewand ist gegürtet, in der
rechten Hand hält er eine (verletzte) Schriftrolle. Das ist kein Jonas
und von einem Walfisch ist nichts zu sehen, auch kein Mönch, „der den
Lehren des heidnischen Altertums sein Seelenheil geopfert hal⸗ (Die
Christliche Kunst, Jahrgg. 21. S. 177, wohl aber ein heidnischer Lehrer.
Es ist wohl Aristoteles, den das dreizehnte Jahrhundert hoch verehrte,
auf dessen Grundlehren sich die Hochscholastik aufbaute. Aber die Kirche er⸗
kaunte die Gefahr der Verweltlichung der Wissenschaft, verbot noch 1210
auf einer Pariser Synode, Vorlesungen über die Naturphilosophie des Ari—
stoteles zu halten, feine Metaphysik wurde für verderblich erklärt, selbst
Thomas von Aquin hatte Schwierigkeiten mit den kirchlichen Behörden
Bühler, S. 40 f.; Schottentor, S. 86). Die Seelsorge kam in Konflikt mit
der fortschrittlichen Theologie; die Auftraggeber für den Skulpturenschmuck
waren die Domherren, die hier wie durch einen öffentlichen Maueranschlag,
wie vorher Averrhoes und Virgil, so nun Aristoteles wegen seines Heiden—⸗
tums an den Pranger stellen und durch Lächerlichkeit ungefährlich machen
wollten. Er war ein Heide, beherrscht vom Satan also mußte seine Weis—
heit in Torheit enden. Das Mittelalter ersann ihm die Legende, er habe sich
in Verkehr mit einer Verführerin eingelassen, die ihn so sehr betörte, daß
er sich Zügel in den Mund legen ließ, auf allen Vieren kroch und sie als
Reiterin (se heißt bald Kampaspe, bald Phyllis) auf seinem Rücken trug,
ihren Befehlen gehorchend (Sauer, S. 343, 406, 446). An unserem Fries ge—
nügte sein Kriechen und die Schriftrolle in der Hand, um den betörten Wei—
sen darzustellen, den Götzendiener, beherrscht vom Satan, der in Haltung
und Gestaltung an den Adler des heidnischen Wesens mahnt (vergl. Dante,
Purg. 32). Die Schlange, die den kriechenden Mann in das Bein sticht oder
gestochen hat, mag die Verführung bedeuten, das Weib andeuten, das ihn
verblendet, toll gemacht und zu Schanden geritten hat. (Vom Schweife des
Teufels gehen solche Schlangen aus: Andeutung der Bildeinheit.)
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