ner rechten Hand, die linke auf der Brust; ihr Ziel ist das Himmel—
reich. Sie ist das Bild einer Seele auf dem rechten Weg.
Westlich ist ihr gegenübergestellt ein Jäger mit Horn und Spieß, ein
Bild, ähnlich wie in der Ostecke des Kreuzgangs und an der Westfront
des Münsters. Es ist „ein wilder Jäger“, ein verweltlichter Mensch, der
irdischen, dämonischen Lockungen nachjagt. Unter diesem Bilde ist der
Verdammte dargestellt, der in zu später Reue, die Linke in Trauerhal—
tung an der Wange, mit der rechten Faust oder einem Stein weitaus⸗
holend an die Brust schlägt. Unter dem Bilde der frommen Seele auf
der Ostseite trägt ein Engel die Seele eines Gerechten, wie oft in roma—
nischen Sterbeszenen, nach Osten, in das Reich des ewigen Lichtes. Wer
sind nun die Heiligen in den oberen Bildern? Man hat auf die Kir—
chenpatrone Felix und Exuperantius eraten; aber so hätten sie als
Martyrer keine Schriftrollen oder Tafeln als Attributie, wie hier. Pet—
rus und Paulus haben keine Beziehung zu dieser Kirche. Ich wähle
Moses und Elias, das Gesetz und die Propheten und verweise auf den
Römerbrief und auf Gal. 8, 19; da wird Gesetz und Verheißung mit der
Erfüllung und Gnade verbunden. So stünde Moses mit der Tafel als
Vertreter des Gesetzes über den Sündern, Elias mit der Schriftrolse als
Prophet über den Gerechten. Und wenn, wie mit größter Sicherheit
anzunehmen ist, im vormaligen Bogenfelde Christus in Macht und
Herrlichkeit“ thronte, wären Moses und Elias die Zeugen feiner Ver—
klärung. Diese Deutung hat die größte Wahrscheinlichkeit für sich.
Die Bildwerke im Innenraumdes Großmünsters
Die Kapitellskulpturen des Großmünsters sind wohl nicht aus glei⸗
cher Zeit und Hand nicht alle am ursprünglich zugedachten Orte; ob sie
einem Plane fürs Ganze oder Zyklen angehören, muß aus den Dar—
stellungen ersichtlich werden.
Begeben wir uns in den Chor. Die esrreiten der Chorpfeiler
haben ungefähr den gleichen Schmuck: Auf Löwen folgen Ranken mit
Blättern und Trauben, dann Vögel, aber nicht Adler; der eine senkt
seinen Schnabel zum Brustgefieder, der andere pickt an der nächsten
Traube. In den Vögeln sind die Seligen im himmlischen Paradies, in
den Löwen die Wächter des Heiligtums gemeint, die Unbefuügte warnen
vor dem Betreten des Altarraums. Am Aufgang zum Chor wird gern
die Portalsymbolik wiederholt. An den Chorbogen lehnen sich Dienste,
deren nördliches Kapitel hochstilige Ranken mit Voluten, Blättern und
Trauben zeigt, während am südlichen eine Männergruppe steht, darun—
ter einer die Fiedel. ein anderer eine Art Klarinette spielt, dazwischen
sind Ranken. Da ist also Paradies und Musik, Friede und Freude; ohne
eine Gruppe fahrender Musikanten konnte man sich auch den Festtag
im Himmel nicht denken!
Die Löwen, Drachen und Adler an Kapitellen der Zwölfbotenkapelle
reden von Unterwelt, Hölle und Weltgericht. An der Südwand des süd—
lichen Seitenschiffes kommen zwei Kapitelle von Halbsäulen in Be—
tracht. Am westlichen Kapitell stürzen sich gegen die Ecken hin je zwei
Löwen auf liegende Männer; in der Mitte der Bildfläche bilden die
verknoteten Schwänze der Bestien ein wirres Durcheinander. Hier ver—
tritt der Löwe den unabwehrbaren Tod.
Am östlichen Wandkapitell nimmt die Mitte ein Meerweib ein. Bei—
derseits liegen mächtige Löwen, unter ihren Pranken Menschen festhal⸗
tend, deren Köpfe schon im Rachen. Die Sirene ist das Bild des Lacus,
der Unterwelt, der die Opfer des Löwen, des Todes verfallen.
Zu diesem Gedankenkreis gehört das Kämpferbild im nördlichen
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