Full text: Der Zeichnen- und Kunstunterricht (Heft 36)

28 J. Langl. 
Eine Unterweifung in den gewerblichen Handarbeiten, die auf Werk- und 
Bauplätzen oder in Werkftätten erlernt werden können, findet jedoch an der 
Baugewerk-Schule nur betrefis folcher Arbeiten ftatt, welche bei dem dermaligen 
Stand der localen Praxis an den genannten Orten entweder gar nicht oder nur 
ausnahmsweife erlernt werden können. 
Die Schule führte bis zum Jahre 1864 blofs Wintercurfe; mit dem Jahre 
18605 wurden auch Sommercurfe eingerichtet und die Anftalt bisher noch nach 
verfchiedenen Richtungen erweitert. Die vorgelegten ftatiftifchen Tafeln zeigten 
eine ftete Zunahme der Frequenz. 
Aus den „Abendfchulen* und dem „offenen Zeichenfaale“ waren eben- 
falls ausgezeichnete Arbeiten ausgeftellt und befonders von den Schülern des 
letzteren wieder virtuos durchgeführte Gypszeichnungen. Schwächer waren 
die Naturköpfe. — Auch von den Schülern des „Sonntagscurfes für Maler“ 
lagen aus den verfchiedenften Zweigen der Zeichenkunft gediegene Lei- 
ftungen vor. 
Die polytechnifche Schule hatte die Pläne ihres herrlichen Gebäudes aus- 
geftellt; dann Autographien von Architekturen und die bekannte Sammlung 
„Architektonifche Studien“, herausgegeben vom Architektenverein am Polytech- 
nicum in Stuttgart. Das Inftitut zählte im Studienjahre 1871 bis 1872 eine mathe- 
mathifche Abtheilung (in zwei Claffen) und eine technifche Abtheilung mit fechs 
Fachfchulen. 
Die Kunftfchule in Stuttgart hatte diverfe Naturftudien und felbftftändige 
Compofitionen von den Schülern vorgelegt. Von letzteren fiel uns befonders eine 
reizend gedachte Sommerlandfchaft mit reicher Staffage und eine im Geifte Schwinds 
gehaltene Zeichnung zu dem Märchen „Siebenfchön“ auf. Die Studienköpfe in 
Oel zeigten das befte Streben. Mit fchwächeren Leiftungen war das figurale 
Studium repräfentirt. 
Wir haben nun noch der Pflege des Zeichenunterrichtes an den Volks- 
fchulen in Württemberg zu gedenken. Der Gegenftand wird laut einer Verfügung 
des königlichen Minifteriums vom 21. Mai1870 an den Volksfchulen gelehrt, wo 
einerfeits das Bedürfnifs, anderfeits die Lehrkräfte vorhanden find; jedoch nur 
unter der Vorausfetzung, dafs 30 Wochenftunden im Gefammtunterrichte nicht 
überfchritten werdenund die obligaten Lehrfächer keine Beeinträchtigung erfahren. 
Eine weitere Ausdehnung des Zeichenunterrichtes ift der befonderen. Ueberein- 
kunft der Gemeindebehörde mit dem Lehrer überlaffen. In der Regel beginnt der 
Zeichenunterricht nicht vor dem zwölften Jahre der Schüler, und ift als Zweck 
und Ziel vorgefchrieben, dafs durch denfelben die Schüler ein Verftändnifs der 
Formen fowie einige Gefchicklichkeit in der Darftellung bekommen, damit der 
Schönheitsfinn entwickelt und geübt, anderentheils aber der Brauchbarkeit der 
Schüler im Leben vorgearbeitet werde. Im Reglement über das Pädagogifche 
wird nur das eigentliche Freihand-Zeichnen (ohne Hilfsmittel) geftattet und zwar 
anfangs nach Wandtafeln und fpäter nach Vorlagen, wobei durchwegs nur das 
firenge Conturzeichnen im Auge behalten wird. Die ausgeftellten Arbeiten zeigten 
überall ein einheitliches Syftem (v. Herdtle’s Werk) und die beften Erfolge. 
Die Conturornamente waren in ziemlich grofsem Mafsftabe ausgeführt, was für den 
Zweck des Zeichnensin der Volksfchule nur dienlich fein kann. 
Auch von den Lehrerfeminaren waren Leiftungen im Zeichnen ausgeftellt, 
und liefs fich fowohl in Freihand- als Linearzeichnen eine treffliche Lehrmethode 
erkennen. Es werden im CursI Conturornamente mit Bleiftift und Feder, im Curs 
II geometrifche Körper in Schatten und Gypsornamente in Kreide oder Tufch und 
im Curs III Wandtafel-Zeichnen als Studium für den praktifchen Unterricht geübt. 
Im geometrifchen Zeichnen wird theils Conftrudtives aus der Geometrie und theils 
Projedtionslehre in Anwendung auf Architektur etc. vorgenommen. Recht gute 
Arbeiten hatten die Lehrerfeminare von Efslingen, von wo auch das Situations- 
und Bauzeichnen vertreten war, und Gmünd ausgetteilt. 
   
  
  
  
  
  
  
   
    
    
    
    
     
  
   
   
   
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
   
    
  
   
  
  
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