Kapitel XII.
Physikalische und physiologische Vorbemerkungen über
die Anwendung der Elektrizität zu Heilzwecken.
$ 79. Die physiologischen Wirkungen der Elektrizität sind so
bedeutende, dass ihre Anwendung als Heilmittel schon seit den ersten
Zeiten, wo man ihre Wirkungen kannte, versucht worden ist. Aber
erst in neuester Zeit hat dieser Zweig der Medizin durch das genauere
Studium der physiologischen Wirkungen der Elektrizität und durch
die Vervollkommnung der Apparate und Methoden eine sichere Grund-
lage erhalten.
Die ruhende, statische Elektrizität ist keiner nachweisbaren physio-
logischen Wirkungen fähig; nur die bewegte, in Form des elektrischen
Stromes auftretende kann solche zeigen. Die trotzdem immer wieder
von Aerzten angewandte und auch neuerdings wieder empfohlene so-
genannte „Elektrisation“ beruht deshalb nicht auf hinreichend ge-
sicherter wissenschaftlicher Grundlage. Wir gehen daher gleich zu
den elektrischen Strömen über. Diese werden vornehmlich wegen
ihrer physiologischen Wirkungen auf Nerven und Muskeln
angewandt. Doch entwickelt der elektrische Strom natürlich in allen
(Geweben auch noch seine physikalischen Wirkungen, Elektrolyse
u. 5. w. Sowohl die eigentlich physiologischen als die allgemein
physikalischen Wirkungen können zu Heilzwecken benutzt werden.
Endlich gibt es noch mittelbare Anwendungen der Elektrizität, wobei
diese nur benutzt wird, um einen Körper zu erhitzen oder zum Leuchten
zu bringen, wo es also gar nicht auf die Elektrizität selbst, sondern
nur auf die von ihr erzeugte Wärme oder das Licht ankommt (Gal-
vanokaustik und Endoskopie).
Die physiologischen Wirkungen der Elektrizität auf Muskeln und
Nerven sind entweder erregende oder modifizirende. Werden
Muskeln und Nerven der Einwirkung gewisser Agentien ausgesetzt,