79. Physiologische Wirkungen der Elektrizität. 173
so geraten sie in den Zustand der Tätigkeit, welcher sich im Muskel
als Zusammenziehung äussert, im Nerven eine äusserlich nicht sicht-
bare innere Molekularbewegung darstellt, welche sich im Nerven fort-
pflanzt und wenn sie im motorischen Nerven zum Muskel, im sen-
siblen zum nervösen Central-Organ gelangt, diese Gebilde zur Tätigkeit
anregt. Die Tätigkeit ist im Muskel wiederum Zusammenziehung, im
Central-Organ des sensiblen Nerven Empfindung, und zwar je nach
der Natur des Nerven entweder Schmerzempfindung oder spezifische
. Sinnesempfindung.
Nerven, welche mit Drüsen zusammenhängen, bewirken in diesen
die spezifische Tätigkeit der Sekretion. Man nennt sie daher sekre-
torische Nerven. Die Nerven, welche in der Muskulatur der Blut-
gefässe endigen, bewirken Aenderungen in der Weite der Gefässe und
zwar unterscheidet man vasokonstriktorische Nerven, durch welche
die Gefässe verengert, und vasodilatatorische, durch welche sie
erweitert werden. Alle diese Nerven verhalten sich aber den elek-
trischen Strömen gegenüber im Wesentlichen gleich.
Alle Agentien, welche, auf die Muskeln und Nerven wirkend,
diese zur Tätigkeit veranlassen, nennt man Reize. Der elektrische
Strom nimmt unter den Reizen eine hervorragende Stellung ein, wegen
der Leichtigkeit seiner Anwendung und der Möglichkeit genauer Ab-
stufung seiner Stärke. Aus denselben Gründen empfiehlt er sich auch
zur Anwendung in der praktischen Medizin in allen Fällen, wo es
darauf ankommt, reizend oder erregend auf Muskeln und Nerven zu
wirken, sie zur Tätigkeit anzuregen.
Der elektrische Strom wirkt jedoch nicht in allen Fällen gleich
erregend auf Nerven und Muskeln. Leitet man einen konstanten
Strom durch dieselben, so geschieht nur eine schwache oder gar keine
Erregung. Wenn aber der Strom eine plötzliche Veränderung seiner
Stärke erfährt, so wirkt er stark erregend. Dies ist z. B. der Fall,
wenn man den konstanten Strom schliesst und öffnet. Man sieht dann
eine starke Zuckung der Muskeln und fühlt einen lebhaften Schmerz,
während bei der gleichmässigen Dauer des Stromes der Schmerz
weniger intensiv ist und oft gar keine Muskelkontraktionen auftreten.
Um daher mit Hilfe des elektrischen Stromes starke Erregung
zu bewirken, muss man die elektrischen Ströme nicht in konstanter
Stärke durch die Muskeln oder Nerven leiten, sondern ihre Stärke
recht oft wechseln lassen. Noch besser aber tut man, wenn man nur
den Zweck hat zu erregen, sich solcher Ströme zu bedienen, welche
gar nicht konstant sind, sondern nur kurze Zeit dauern, während