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$ 85. Gebrauch des konstanten Stromes. 185
die Anwendung des konstanten Stromes zu sagen. Zur Erregung
von Muskelzuckungen oder von Schmerzempfindungen diesen anzu-
wenden, scheint unnötig, da zu diesem Zweck die Induktionsströme
viel geeigneter sind. Doch gibt es Fälle von Lähmungen, in denen
die Induktionsströme ganz unwirksam sind, während die Schliessung
und Oeffnung konstanter Ströme starke Zuckungen bewirken. Ausser-
dem aber kann es aus anderen Gründen vorteilhaft sein, sich kon-
stanter Ströme zu bedienen. Die physiologischen Versuche haben
ausser der erregenden Wirkung noch andere Einwirkungen der Ströme
auf Muskeln und Nerven nachgewiesen. Diese „modifizirenden“ Wir-
kungen bestehen in Veränderungen der Erregbarkeit u. s. w., welche
zum Teil während der Dauer des Stromes auftreten, zum Teil den-
selben überdauern. Leider sind die physiologischen Erfahrungen noch
so gut wie gar nicht für eine rationelle therapeutische Verwertung
verwendbar. Und alle von den Elektrotherapeuten bisher angegebenen
Indikationen für Anwendung des konstanten Stromes können nur
als auf (zum Teil sehr vereinzelter) Erfahrung beruhend, angesehen
werden.
Für die Anwendung der konstanten Ströme sind dieselben Grund-
sätze maassgebend, wie für die Induktionsströme. Auch hier kommt
es darauf an, die Bedingungen herzustellen, dass die grösste Strom-
dichte an der Stelle oder in dem Gebilde sich finde, auf welches man
zu wirken beabsichtigt. Ausserdem aber hat man hier noch darauf
zu achten, welche Richtung der Strom hat, da diese auf die Wirkungen
von grösstem Einfluss ist, was bei den Induktionsströmen nicht in
demselben Maasse der Fall ist.
In der Physiologie ist es üblich, wenn man die Wirkungen elek-
trischer Ströme auf die Nerven untersuchen will, die Elektroden an
zwei Punkte des freipräparirten Nerven anzulegen und so die Ströme
durch eine begrenzte Strecke des Nerven zu leiten. Es hat sich aber
herausgestellt, dass die beiden Elektroden in ganz verschiedener Weise
auf den Nerven wirken; die Anode oder positive Elektrode setzt die
Erregbarkeit des Nerven herab, die Kathode oder negative Elektrode
erhöht sie; die Anode wirkt nicht erregend bei der Schliessung des
Stroms, wol aber bei der Oeffnung, die Kathode dagegen wirkt erre-
gend bei der Schliessung, nicht aber bei der Oeffnung. Wenn man
aber beim lebenden Menschen mit elektrischen Strömen auf einen
Nerven einwirken will und so verfährt, dass man eine kleine knopf-
förmige Elektrode auf diesen Nerven, da wo er möglichst nahe der
Oberfläche liegt, aufsetzt, eine zweite grössere Elektrode an irgend
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