Full text: Elektrizitätslehre für Mediziner und Elektrotherapie

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
286 Qualitative Erregbarkeitsveränderungen etc. Kap. XV. 
Nerven betrifft, so kann man, wie oben schon erwähnt, innerhalb 
der ersten zwei Tage eventuell eine mässige Erhöhung der faradischen 
sowohl wie der galvanischen Erregbarkeit beobachten. Bald aber 
vermindert sich die Erregbarkeit des Nerven für beide Stromes- 
arten in gleichmässiger Weise, um mit dem Ablauf der ersten Woche, 
spätestens der ersten Hälfte der zweiten Woche, auf ein Minimum 
gesunken zu sein. 
Kürzere oder längere Zeit, meist über Wochen hin (dauernd natür- 
lich nur in unheilbaren Fällen), bleibt dieser Zustand bestehen. Tritt 
dann eine Regeneration der degenerirten Nervenfasern ein, so kommen 
faradische und galvanische Erregbarkeit allmählich wieder zum Vor- 
schein. Hierbei sind nun noch folgende Eigentümlichkeiten zu beob- 
achten: es kann sein, dass oft schon von oberhalb der Läsionsstelle 
her elektrische Reize sich wieder wirksam erweisen, gerade so wie 
der Willensreiz, während unterhalb der Läsionsstelle entweder unver- 
hältnissmässig viel stärkere elektrische Reize zum Auslösen einer 
Reaktion von Nöten sind, oder auch die stärksten elektrischen Reize 
noch nicht beantwortet werden. Ist es bei einzelnen Lähmungsformen 
(z. B. der Mehrzahl der Lähmungen des Gesichtsnerven) nicht möglich, 
oberhalb der affizirten Strecke den elektrischen Reiz anzubringen, so 
bietet sich das namentlich den Anfänger so frappirende Faktum dar, 
dass der Kranke willkürlich und zu eigener Befriedigung schon alle 
Bewegungen wieder ausführt, während der unterhalb der Läsionsstelle 
angreifende elektrische Reiz noch ganz wirkungslos ist. Ohne an dieser 
Stelle näher auf die Erklärung dieses hoch interessanten Faktums 
eingehen zu wollen, bemerken wir nur, wie nach Schiff, Erb®® und 
Anderen zwischen der Fähigkeit des Nerven, einen Reiz aufzunehmen 
und ihn fortzuleiten ein Unterschied zu machen ist, und dass die erstere 
Eigenschaft des Nerven wesentlich an das Vorhandensein der Mark-' 
scheiden, das letztere aber an das Vorhandensein der Axenzylinder 
gebunden zu sein scheint. Diese Axenzylinder können bei der Regene- 
ration schon wieder vorhanden sein und vom peripherischen, degenerirt 
gewesenen Nervenstücke aus durch die Läsionsstelle hindurch mit 
dem zentralen, intakt gebliebenen Nervenstück, ihre Vereinigung schon 
bewerkstelligt haben, bevor sie sich selbst (d. h. die neugebildeten, 
regenerirten Fasern) mit genügend dicken Markscheiden umgeben 
haben*). 
*) Mit der Schiff-Erb’schen Ansicht von diesen Dingen stimmten gewisse 
Experimente Grünhagen’s°® an partiell durch Kohlensäure vergifteten periphe- 
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