292 Die Entartungsreaktion etc. der Nerven und Muskeln. Kap. XV.
degeneration sich bis in die feinsten Muskelzweige fortsetzt, so ver-
lieren die Muskeln bald die Fähigkeit schnellen Reizen (Induktions-
strömen) zu gehorchen (vgl. S. 280). Nur Reize von einer gewissen
Dauer bewirken noch an dem nervenlosen Muskel Kontraktionen;
selbst starke konstante Ströme, sind sie von nur momentaner Dauer,
vermögen nicht, den entnervten Muskel zur Kontraktion zu bringen,
wie von Neumann°! zuerst klar dargelegt wurde. Da nun in den
Muskeln selbst eigentümliche, teils den atrophischen, teils den ent-
zündlichen zuzurechnende Veränderungen eintreten (Verringerung der
Faserdicke, Vermehrung der Muskelkerne, häufigeres Auftreten wachs-
artig degenerirter Fasern, Zunahme der Masse des interstitiellen
Bindegewebes etc.), so hat man wohl ein gewisses Recht, in diesen
Veränderungen der histologischen Beschaffenheit der Muskelsubstanz
den Grund für das Auftreten der für den konstanten Strom sich
zeigenden Uebererregbarkeit und für die abnorme Reaktionsformel zu
sehen; bei schliesslichem Rückgang der myitischen Veränderungen und
ihrem möglichen Ausgang in bindegewebige Atrophie ist die spätere
Abnahme, ja selbst das fast vollkommene Schwinden der galvanischen
Erregbarkeit unschwer zu erklären.
Fügen wir noch hinzu, dass in nicht wenigen Fällen zugleich
mit dem Auftreten der Uebererregbarkeit der Muskeln für den galva-
nischen Reiz sich noch eine gesteigerte Erregbarkeit für mechanische
Reize (Beklopfen) einstellen kann, so ist die Hauptsache dessen be-
sprochen, was im Laufe schwerer (rheumatischer oder traumatischer)
peripherischer Lähmungen zu beobachten ist.
$ 118. Die ganze Summe der eigentümlichen elektrischen Reak-
tionen eines so schwer geschädigten Nerv-Muskelgebiets hat Erb
vorgeschlagen, mit dem Namen der „Entartungsreaktion“.(Kak)
zu belegen, insofern alle die beschriebenen Erscheinungen, vornehm-
lich die qualitativen Erregbarkeitsveränderungen der Muskeln, nur
immer bei schwererer Schädigung und hochgradiger Veränderung ihrer
histologischen Struktur sich zeigen. Zum Schluss sei noch die eine
Bemerkung erlaubt, dass es einem Beobachter nicht gerade immer
vergönnt sein wird, eine derartige schwere Lähmung und den normalen
Ablauf aller Erscheinungen von Anfang an bis zum Ende an einem
Falle zu beobachten; fügt es der Zufall, dass ein derartig Erkrankter
zu einer Zeit in die Behandlung kommt, in der die Regeneration der
Nerven schon begonnen hat, während die degenerativen Prozesse in
der Muskulatur noch fortbestehen, so kann neben aktiver Beweglichkeit,