304 Normale Reaktionen desN. opticus auf d. galvanischenReiz. Kap. XVI.
bei allen Individuen lassen sich die hier zu beobachtenden Erscheinun-
gen in gleicher Weise hervorrufen, die beiden Pole verhalten sich
aber jedenfalls verschieden: jedes der bei Kettenschluss erscheinenden
Polbilder ist zweifarbig und hat die Gestalt einer kleinen, etwa vier
Linien im Durchmesser haltenden Scheibe; die im Zentrum derselben
auftretende Farbe ist intensiver, als in dem dasselbe umgebenden
blasseren Hofe. Mit der Umkehr der Pole wechseln die Färbungen
des Hofes und des Zentrums in analoger Weise: die Färbungen ver-
blassen auch mit der Dauer des Stromes, dessen Intensität sie sich
direkt proportional verhalten. Die günstigste Stellung der beiden
Pole zur Hervorrufung des Phänomens ist die, wenn die eine Elek-
trode sich am Nacken, die andere auf dem geschlossenen Auge be-
findet. Ist die indifferente Elektrode sehr weit von der differenten
entfernt, so tritt nur ein Farbenbild, nämlich das zentrale auf. Die
Färbung der Lichtbilder variirt bei den einzelnen Individuen, ist aber
für jedes einzelne konstant. Die direkt betrachteten Gegenstände
gewannen durch die Entstehung des mit Hilfe des konstanten Stromes
erzeugten Phosphens nicht an Deutlichkeit (Brenner).
Neuerdings durch B. Tscherbatscheff !!+ angestellte Versuche
ergaben, dass der Raumsinn des Auges nach minutenlanger Applikation
der Kathode in Bezug auf das zentrale Sehen nichts gewonnen, dass
dagegen bei indirektem Sehen sich eine bedeutende und länger als
zwei Wochen anhaltende Erweiterung des Gesichtsfeldes eingestellt
hatte. Der Farbensinn wurde, was das zentrale Sehen betrifft, nur
für Blau und Rot verbessert, während beim indirekten Sehen sämmt-
liche Farben ihre Grenzen ausgedehnt zeigten und auf mehr als eine
Woche hin auch behielten.
Im Allgemeinen gehört offenbar eine Hingabe zur Sache, sowie
eine gewisse Bildung und grosse Aufmerksamkeit der Versuchspersonen
dazu, um die hier von scharfsinnigen Beobachtern niedergelegten
Tatsachen durch die untersuchten Individuen bestätigt zu sehen: in
der Mehrzahl aller Fälle ist es wohl immer nur die Lichterscheinung
ganz allgemein, der Blitz, welcher wahrgenommen und als auffällig
sofort hervorgehoben wird.
In Bezug auf die Pathologie besitzen wir in einigen in neuester
Zeit erschienenen Arbeiten von Neftel'' und M. Rosenthal!
das oben Auseinandergesetzte teils bestätigende, teils ergänzende
Notizen. Nach Neftel hat man die Empfindung des Blitzes von der
Farbenempfindung zu trennen; einige Individuen empfinden nur das
eine oder das andere; Licht- und Farbenperzeption sind von einander
“