356 Katalytische Wirkungen des konstanten Stromes, Kap. XX.
ders bei den verschiedenen Leiden der Sinnesorgane (speziell denen
des Gesichts und des Gehörs) eine, wie im speziellen Teil noch weiter
ausgeführt werden wird, hoch bedeutende Rolle.
$ 148. Wie schon oben kurz erwähnt, nehmen in den theore-
tischen Anschauungen der Autoren über die Wirksamkeit des konstan-
ten Stroms die von R. Remak zuerst mit besonderer Betonung her-
vorgehobenen sogenannten katalytischen Wirkungen desselben
einen hervorragenden Platz ein. Mit dem angeführten Namen wird
dem galvanischen Strom eine Summe teils rein physikalischer, teils
physiologischer Wirkungen zuerteilt. Zunächst sind es die elektro-
lytischen d. h. Gewebsbestandteile zersetzenden Eigenschaften des
konstanten Stroms, die hier in Betracht kommen. Sind die Gewebe
als mit Salzlösungen durchtränkte Hohlräume aufzufassen, so liegt es
dem Verständniss nicht fern, sich die Zersetzung dieser Salzlösungen
in dem Sinne vorzustellen, dass an der Kathode die elektropositiven,
an der Anode die elektronegativen Bestandteile zur Ausscheidung
kommen. Dass solche Zerlegungen bei der Galvanopunktur wirklich
zu Stande kommen, davon kann man sich durch die unmittelbare Ein-
führung von nadelförmigen Elektroden in das Innere von Geweben
oder in das Blut sofort überzeugen. Auch haben wir oben (S. 321)
schon gezeigt, wie auch bei perkutaner Anwendung gewöhnlicher feuch-
ter (keiner unpolarisirbaren) Elektroden die Haut je nach den Polen
in verschiedener Weise durch die ausgeschiedenen sauren oder alka-
lischen Bestandteile des Blutserums verändert resp. angeätzt wird.
Eine andere und durch exakte Versuche noch nicht entschiedene Frage
ist freilich. die, ob auch in der Tiefe der Gewebe bei perkutaner An-
wendung derartige elektrolytische Wirkungen zu Stande kommen, denn
nur von solchen kann und darf ja bei der Applikation des galvanischen
Stroms, wenn eben keine chirurgischen Einwirkungen erzielt werden
sollen, die Rede sein.
Eine zweite, rein physikalische Wirkung des Stroms besteht in
seiner fortführenden, kataphorischen Wirkung, die er entfaltet,
wenn er durch in kapillaren Räumen enthaltene Elektrolyte strömt.
Die Flüssigkeit wird dann in der Richtung des Stromes von dem posi-
tiven nach dem negativen Pol hin bewegt. Diese Wirkungen können
therapeutisch von nicht geringer Wichtigkeit werden; wenn sich, so
wurde von einem von uns!®® schon vor Jahren ausgeführt, z. B. Hemi-
plegien unter der Durchleitung eines konstanten Stroms durch den
Schädel besserten, wie nach dem, was wir später sehen werden, von
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