8 150. Therapeutische Verwertung der katalytischen Wirkungen. 359
direkt erregenden Wirkungen auf Nerv und Muskel auf das oben be-
reits Ausgeführte. Wie mit dem faradischen Strom könnte man
auch mit dem zentralwärts von der Läsionsstelle angebrachten
konstanten Strom, besonders durch die Kathode (den negativen Pol)
bei peripherischen Lähmungen das Hinderniss für die freie Durch-
leitung des Willensreizes durch die starke von zentralwärts her-
kommende Erregung (namentlich durch den Schluss eines starken
galvanischen Stroms, oder durch Volta’sche Alternativen) zu durch-
brechen versuchen. Erfahrungsgemäss gelingt dies aber selbst bei
sogenannten leichten Lähmungen peripherischer Nerven nie, ebenso-
wenig natürlich. bei den Mittelformen oder gar den schwereren. Aber
auch die direkte Applikation des Stromes auf die Läsionsstelle, wobei
eben die vor Kurzem besprochenen katalytischen Wirkungen zur Wir-
kung kommen könnten, haben leider auf den Ablauf des $& 115 ge-
schilderten Vorgänge bei schweren Nervenverletzungen (Durchschnei-
dungen, groben Quetschungen etc.) keinen Einfluss. Die Erschei-
nungen am Nerven und Muskel verlaufen mit oder ohne galvanische
Behandlung mit unerbittlicher Gesetzmässigkeit. So interessant also
auch die Erforschung der einzelnen Stadien der Lähmung und beson-
ders der Vorgänge bei direkter galvanischer Muskelreizung für die
Diagnostik sein mag, so kann ihnen doch ein therapeutischer Einfluss
nur in ganz beschränktem, in dem oben 8. 354 ausgesprochenen Sinne
zugemessen werden. Höchstens könnte man bei allmählich durch die
Läsionsnarbe hindurch sich wiederherstellender Verbindung der neuen
regenerirten Fasern iin peripherischen Stück mit den im Ganzen un-
versehrt gebliebenen zentralen einen durch die katalytischen Vorgänge
die Regeneration befördernden Einfluss zugeben. Anders gestalten
sich, wie die Erfahrung gezeigt hat, die Verhältnisse, wo es sich um
sogenannte leichte Lähmungen handelt. Hier entfaltet der kon-
stante Strom in nicht wenigen Fällen, wenn er direkt auf die Lä-
sionsstelle applieirt wird, offenbar eine direkt heilende und das für
den Willen störende Leitungshinderniss fortschaffende Einwirkung.
Diese zerteilende, katalytische Wirkung kommt nun auch bei
denjenigen Lähmungen zur Geltung, welche von Läsionen nervöser
Zentralorgane abhängig, vorwiegend als Hemiplegien und Paraparesen
oder Paraplegien zur Beobachtung kommen. Mehr wie fraglich dürfte
es sein, die physiologisch am Menschen und experimentell am Tier zu
beobachtenden Wirkungen des konstanten Stromes auf Gehirn und
Rückenmark, die oben Kap. XVIIl genauer beschrieben sind, als für die
Behandlung pathologischer Zustände von Bedeutung anzusehen; im