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Anwendung des Induktionsstroms bei Gehirnleiden. 3717
allen den oben genannten Kautelen ausgeführte centrale galvanische
Behandlung nicht vor Ablauf einiger Wochen (5—6) begonnen wer-
den möge.
Verhält es sich nun, so wird man fragen, mit der Anwendung
des faradischen Stroms ebenso, und soll man überhaupt den
unterbrochenen Strom zur Behandlung der Hemiplegien heranziehen ?
Ob von dem Induktionsstrom direkte Einwirkungen auf die
Heilungsvorgänge und pathologischen Zustände im Innern der Schädel-
kapsel überhaupt zu erwarten seien, kann nach dem, was oben S. 327
darüber gesagt ist, jedenfalls noch als zweifelhaft betrachtet werden:
es könnte sich also, wenn überhaupt von einem Einfluss der Fara-
disation auf die Vorgänge im Hirn die Rede sein soll, nur um die
(Seite 344) schon erwähnten reflektorischen Wirkungen auf die Ge-
fässe der Hemisphäre handeln, wenn grössere Partien der Körper-
oberfläche Einwirkungen des unterbrochenen Stroms ausgesetzt werden.
Einige Beobachtungen Vulpian’s'!"? und Rumpf’s?!® über die Heilung
bezw. Besserung, die sie bei cerebralen Hemianästhesien und Con-
gestivzuständen des Hirms erzielt haben, ermutigen dazu, in gleicher
Weise vorzugehen. Abgesehen aber davon erreicht man durch die
Faradisation der gelähmten und dem Willenseinfluss entzogenen
Glieder, dass die Ernährung der gelähmten Muskeln befördert und
einer später vielleicht eintretenden Inaktivitätsatrophie vorgebeugt
wird. Zweckentsprechend werden mit der Faradisation passive Uebun-
gen verbunden, um der in nicht allzu langer Zeit sich in den Ge-
lenken der gelähmten Extremitäten ausbildenden Schmerzhaftigkeit
entgegen zu wirken. Ohne hier näher auf das Wesen dieser Gelenk-
veränderungen eingehen zu wollen, erinnern wir nur daran, dass es
hauptsächlich das Schultergelenk ist, in dem sich derartige konsekutive
Entzündungsprozesse ausbilden. Man benutze auch hier, wenigstens
zu Anfang, nur schwache Ströme: besonders gilt dies für die Fara-
disation des gelähmten Facialisgebiets. Die Individualität des Kranken
und sein Allgemeinzustand sind’ stets zu berücksichtigen. Das leb-
'hafte Spiel der Muskeln der so lange gelähmt, schlaff, kühl und
vielleicht ödematös herabhängenden Extremitäten versetzt die meisten
Kranken,. wenigstens zu Anfang, in die lebhafteste und freudigste
Aufregung: sei es nun dieser günstige psychische Einfluss oder wirk-
lich uns noch unbekannte, reflektorisch oder direkt auf die molekulare
Struktur der erkrankten Teile ausgeübte Wirkungen, man sieht in
der Tat oft schon nach wenigen Sitzungen die Beweglichkeit der ge-
lähmten Glieder sich bedeutend bessern. Da in der Mehrzahl aller