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$ 159, 160. Cerebrale Anästhesien, posthemiplegische Bewegungen.
oder Galvanisation“ angezeigt, welche in der Tat neuerdings von
Fischer??° mit gutem Erfolg bei einem Falle schwerer Melancholie
angewandt worden ist.
Die Erfahrungen in diesem Zweig der Elektrotherapie sind bis
jetzt noch nicht zahlreich und widerspruchsfrei genug, um ein defini-
tives Urteil über den Wert oder die Nutzlosigkeit dieser Behandlungs-
methode bei psychischen Krankheiten zu ermöglichen: die Vermeh-
rung unseres Wissens wird aber gewiss eher. von den Anstaltsärzten
als von dem praktischen Arzt erwartet werden dürfen.
Einen derartigen Bericht hat nun auch in jüngster Zeit Tigges*"?
(Sachsenberg) veröffentlicht. Durch Galvanisation des Sympathikus,
des Kopfes, der Wirbelsäule (Rückenmarks) und der peripherischen
Nerven hat dieser Autor bei verschiedenen Geisteskranken auf die Her-
beiführung von Schlaf, auf die Beseitigung mannigfacher unangenehmer
Sensationen am Kopf, wie an Rumpf und Gliedern (Kopfdruck, Schmer-
zen, Druckempfindung in der Herzgrube ete.) wohltätig eingewirkt.
Bei Melancholischen konnte er oft nach kurzer Einwirkung des kon-
stanten wie des induzirten Stromes eine Lösung der motorischen
Hemmung und ein Freierwerden der Gedanken konstatiren. Ohren-
sausen (und Gehörshallueination), manchmal auch Gesichtshallueci-
nationen minderten sich und schwanden wohl auch bei fortgesetzter
Behandlung dauernd. Eine besondere Polwirkung hat Tigges nicht
konstatiren können: jedenfalls aber rät er, nur stabile (nicht labile)
Ströme und solche von geringer Stärke (bis höchstens 1—2 M. A.)
und jedesmal nur kurze Zeit (1—2 Minuten) anzuwenden.
$ 160. Als Begleitsymptome der motorischen Hemiplegien oder
als Folgekrankheiten sich ihnen anschliessend werden nicht selten
Lähmungen sensibler Nerven (Anästhesien) und abnorme, unwillkühr-
liche Bewegungen in den paretischen Gliedern beobachtet, die unter
verschiedenem Namen von den verschiedenen Autoren beschrieben
worden sind (an Paralysis agitans erinnernde Bewegungen, halbseitige
Athetose etc.). In Bezug auf die Behandlung cerebraler Hemianästhe-
sien verweisen wir auf das S. 347 Gesagte: die Behandlung der
auderen genannten pathologischen Erscheinungen übt man mittelst
„zentraler Galvanisation“ in dem Sinne aus, dass man in die Nähe des
die abnormen Bewegungen unterhaltenden Herdes an die Schläfen-
oder Hinterohrgegend die Anode applizirt, in der Idee, durch ihre die
Erregbarkeit herabsetzende Wirkung einen beruhigenden Einfluss aus-
zuüben.