$ 162. Akute atrophische Spinallähmung der Kinder. 385
bildeten Fettpolsters und der dadurch undeutlich werdenden Beobach-
tung der Zuckung einzelner Muskeln ihre Begründung finden.
Die Behandlung besteht zunächst in einer Galvanisation des
Rückenmarks bei direkter. Applikation der Elektroden auf die Proc.
spinosi der Wirbel oder dicht an die Seiten der letzteren. Die Ab-
sicht ist, durch die „katalytischen Stromwirkungen“ den Krankheits-
herd direkt zu beeinflussen. Die Methoden variiren: einige setzen die
eine Elektrode auf das Rückgrat an die Stelle der Erkrankung
(Nacken — Lendenteil), meist die Anode, die Kathode an die gelähm-
ten Extremitäten, andere bringen die Kathode an die der erkrankten
Markpartie entsprechende Stelle der Wirbel und setzen die Anode
entweder ebenfalls an eine indifferente Stelle des Rückens oder der
vorderen Rumpffläche auf: nach einer Stromesdauer von 3—5 Minuten
wird dann die Stromesrichtung gewechselt. Die Stromstärke .wird bei
Kindern immer eine mässige bleiben müssen, 4—6 oder 8 der ge-
bräuchlichen Siemens’schen Elemente genügen wenigstens für den
Anfang durchaus. Man kann diese „zentrale“ Behandlung erfah-
rungsgemäss ohne Schaden schon innerhalb der ersten Wochen nach
der Erkrankung in Anwendung ziehen und sie mit der peripherischen
Behandlung in dem Sinne verbinden, dass der eine Pol (Anode) in
der Höhe der erkrankten Markpartie am Rücken bleibt, während man
mit der Kathode „labil“ über die gelähmten Muskelpartien hinstreicht
resp. Volta’sche Alternativen anwendet, wobei zweckentsprechend auch
der eine Pol auf den Nervenstamm, der andere auf die gelähmten
Muskeln aufgesetzt wird. Wie oben erwähnt haben nicht immer alle
Muskeln eines Gliedes ihre faradische Erregbarkeit ganz eingebüsst:
diese Teile kann man daher mit faradischen Strömen zur Kontraktion
zu bringen versuchen, ein Verfahren, welches bekanntlich Duchenne
überhaupt nur bei der Behandlung der Kinderlähmungen und nach
seinem Ausspruch mit Erfolg in Anwendung gezogen hat.
Um die Kinder nicht zu sehr zu ermüden und anzustrengen, dehne
man die einzelne Sitzung nicht zu lange aus und vermeide die tägliche
Behandlung: eine 3—4 malige Applikation des Stromes innerhalb einer
Woche ist genügend.
Darin sind alle Beobachter und die behandelnden Aerzte gerade
dieser Affektion einig, dass die elektrische Therapie zwar mit Unter-
brechungen (3—4 wöchentliche Pausen nach etwa 6—8 wöchentlicher
Behandlung) aber im Ganzen konsequent Monate und Jahre hin-
durch fortgeführt werden muss..
Durch die Ungeberdigkeit der kleinen Kranken, durch die anfangs
Rosenthal u. Bernhardt, Elektrizitätslehre. Ill. Auf. 95
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