386
Atrophische Spinallähmung Erwachsener. Kap. XXL.
oft geringen, kaum sichtbaren Erfolge der Behandlung wird die
Geduld des Arztes und der Eltern auf eine harte Probe gestellt: am
ehesten gewinnen diejenigen Muskeln allmählich ihr normales Ver-
halten wieder, welche ihre faradische Erregbarkeit überhaupt nicht
ganz verloren hatten: sodann aber kommt es vor, dass trotz herab-
gesetzt bleibender faradischer Erregbarkeit die willkürliche Bewegung
fast vollständig wiederhergestellt wird (vgl. S. 301). Eine erst viele
Monate oder gar Jahre lang nach dem Beginn der Erkrankung einge-
leitete Behandlung ist meist erfolglos: aber auch die zweckentsprechend
und früh unternommenen elektrotherapeutischen Maassnahmen bleiben
in nicht wenigen Fällen weit hinter den Erwartungen des Arztes und
den Hoffnungen der Eltern zurück.
$ 163. Im Anschluss an die „spinale Lähmung der Kinder“ be-
sprechen wir die gleichfalls erst in der Neuzeit als besonderes Leiden
erkannte und gleichfalls auf zirkumskripte myelitische Prozesse in den
grauen Vordersäulen des Marks zurückgeführte akut resp. chronisch
auftretende spinale atrophische Lähmung der Erwachsenen
(Poliomyelitis antica acuta, chronica). Wieder verzichten wir auf eine
Darstellung der klinischen und pathologisch anatomischen Einzelheiten:
das Wesentliche in Bezug auf die hier interessirenden Fragen ist die
Tatsache, dass auch hier, wie bei der Kinderlähmung, die elektrischen
Erscheinungen und ihr Ablauf im Wesentlichen denen gleichen, wie
man sie für die sogenannten schweren peripherischen Lähmungen
giltig kennen gelernt hat!% (vgl. oben S. 299). Ja es haben sich
gewichtige Stimmen in der Litteratur sogar dafür ausgesprochen, dass
es sich in manchen dieser als atrophische Lähmungen Erwachsener be-
schriebenen Fälle überhaupt nur um multiple, die Integrität schwer
beeinträchtigende entzündliche und zur Degeneration führende Prozesse
peripherischer Nerven gehandelt habe. Man verbinde daher auch hier
die zentrale Rückenmarksgalvanisation mit der peripherischen Behand-
lung. Die Stromstärken können natürlich bei den Erwachsenen be-
deutendere sein (meist werden zwischen 15 und 30 Elemente [bis zu
10 und 15 M. A.] in Anwendung gezogen) als bei Kindern: die Pole
werden in nächster Nähe der vermuteten Krankheitsherde am Nacken
oder in der unteren Brust- und Lendengegend applizirt, meist die
Kathode, aber auch wechselnd mit der Anode, wobei die Richtung des
Stromes gleichgiltig ist. - Mit dieser zentralen Durchströmung des
Marks wird die peripherische galvanische Behandlung so verbunden, dass,
während ein Pol an den Wirbeln auf dem Krankheitsherde bleibt, der
N m | E