400 Facialislähmung. Kap. XXI.
Die etwa 5 Minuten währende Sitzung kann eventuell täglich,
wöchentlich aber wohl mindestens 3—4 mal wiederholt werden. Der
Natur der Sache nach kann man in den meisten Fällen von periphe-
rischen Facialislähmungen den Locus morbi nicht direkt erreichen:
durch die Applikation der Elektroden an die Proc. mastoidei (Erb)
sucht man wenigstens Stromschleifen bis zur kranken Stelle hin ge-
langen zu lassen. Bei schweren*) Lähmungen sind schnell wieder-
holte Sitzungen in den ersten Wochen, nach dem, was oben gesagt,
kaum anzuraten: man beschränke sie daher zunächst auf höchstens
drei pro Woche und vermehre sie erst später, unter Zuhilfenahme des
faradischen Stroms, wenn sich die ersten Spuren rückkehrender aktiver
Bewegungen kund geben. In Bezug auf die nach schweren und mittel-
schweren Facialislähmungen oft zurückbleibenden Kontrakturzu-
stände ist durch direkte elektrische Behandlung nicht allzuviel aus-
zurichten: vielleicht nützt die stabile Applikation eines mässig starken
konstanten Stromes (Ka) auf die Muskeln der kranken Seite durch
die zur Geltung kommenden katalytischen Einwirkungen, oder die
Faradisation der Muskeln der gesunden Seite (indirekte Dehnung nach
Brenner).
Beobachtet werden ferner in nicht gerade häufigen Fällen Läh-
mung im Gebiete der Nn. accessorii (einseitige oder doppelseitige
Lähmung im Gebiete der Mm. sternocleidom. und der Mm. ceucullares),
Lähmungen der Kaumuskulatur (Mm. masseteres), der Zunge, der Mus-
keln an der Schulter, am Rücken, an der Brust, am Nacken, am
Bauch, deren Symptomatologie und Pathologie man in den betreffen-
den Lehrbüchern nachlesen möge. Besonders hervorzuheben sind noch
die Lähmungen des M. serratus anticus maior und die paretischen
Zustände des Zwerchfells und der Bauchmuskeln, von denen die letz-
teren wohl nur direkt zu beeinflussen sind, während man für den
M. serratus ant. maior und das Zwerchfell eine Applikation der
Kathode an die betreffenden Nerven (Anode am Nacken) oder die
Faradisation von den oben angegebenen Punkten aus (S. 247 u. 248)
ins Werk setzen kann.
Neben dem N. facialis sind es besonders die Nerven der
oberen Extremitäten (Nn. axillaris, medianus, ulnaris, radialis,
*) Es ist eine bei vielen verbreitete Annahme, dass „rheumatische“ Faecialis-
lähmungen immer leichte, schnell heilende seien; es ist dies nicht der Fall. Viele
Fälle der rheumatischen Facialislähmungen geben in Bezug auf die Schwere ihres
Verlaufes und die Länge der Heilungsdauer den durch gröbste mechanische (trau-
matische) Läsionen entstandenen Paralysen nichts nach.