402 Lähmungen im Bereiche des Plexus brachialis. Kap. XXIH.
kommenden einzelnen Fall das elektrotherapeutische Verfahren ange-
geben werde: aus dem, was darüber im Vorangegangenen mitgeteilt
ist, wird der Arzt zur Genüge die Grundprinzipien der einzuschlagen-
den Behandlung ersehen, einer Behandlung, welche natürlich jedesmal
nach der Schwere und dem Sitz der Läsion zu variiren sein wird.
Neben denjenigen kombinirten Lähmungen, welche durch Schulter-
gelenkluxationen bei Erwachsenen zu Stande kommen, kennen wir,
seit Duchenne®* zuerst darauf aufmerksam machte, auch solche
Kombinationen, welche der erste Beschreiber Paralysies obstetricales
infantiles du membre superieur, Erb® später Entbindungslähmungen
genannt hat und worüber ausserdem von Seeligmüller?®, Bern-
hardt?* u. A. Beschreibungen vorliegen. Es handelt sich da zumeist um
Lähmungen Neugeborener im Bereich des M. deltoideus, biceps und
M. infraspinatus: d. h. der Auswärtsroller und Heber des Arms, sowie
der Beuger des Vorderarms, während die Hand- und Fingermuskulatur
intakt bleibt. Zumeist sind es direkte, bei schweren Entbindungen
den Kindeskörper treffende Läsionen, welche diese Lähmungen be-
dingen, selten die Zangenoperation, vorwiegend Extraktionen, bei denen
auf die Nerven in der Fossa supraclavicularis oder in der Achselhöhle
ein bedeutender Druck ausgeübt wurde.
Im Anschluss an diese Lähmungsform der Kinder erwähnen wir
hier noch die zuerst von Erb®, später von Remak*", Hoede-
maker*, Bernhardt?*, Erlenmeyer?’*®, Vierordt?*? beschriebe-
nen Lähmungen der Oberextiremität bei Erwachsenen, welche durch
Läsionen einer bestimmten Stelle in der Regio supraclavicularis zu
Stande kommen, dort wo im Plexus noch verschiedene Nerven und
Nervenäste für bestimmte Muskelgebiete zusammenliegen (dem 5. und
6. Öervicalnerven angehörige Wurzelfäden). Betroffen sind die Ge-
biete des N. axillaris, musculocutaneus, radialis, medianus, während
das Ulnargebiet frei bleibt, seltener affızirt zeigen sich der N. supra-
scapularis (M. infra- und supraspinatus), die Mm. pectoralis und sub-
scapularis; vom Radialisgebiet werden nur die Mm. supinatores be-
teiligt (bezw. die dem Radialiseinfluss unterworfene Partie des
M. brachialis internus), vom Medianusgebiet nur einzelne sensible
Aeste. Vorwiegend sind es auch hier direkte oder indirekte Traumen,
durch welche diese Lähmungen hervorgerufen werden: schon oben
(S. 249) ist der Punkt bezeichnet worden, von dem aus man alle oder
doch die meisten der eben erwähnten Muskeln in Kontraktion versetzen
kann. Neben den direkten Verwundungen spielen in der Aetiologie dieser
-Lähmungsform indirekte Verletzungen (Fallen auf die Schulter oder die