$ 178, 179. Hemiecrania. 417
die schmerzstillende Wirkung der Elektrizität bei Neuralgien, bei
Pseudoneuralgien nach Wirbelkaries, bei Tabes, kariösen Zahnschmerzen,
Kopfschmerzen u. s. w. Der neuralgische Schmerz sei der Ausdruck
eines eigentümlichen Zustandes der Nervensubstanz, die er als „neural-
gische Veränderung“ bezeichnet. Die Ursache derselben kann eine
verschiedene sein: auf diese selbst kann die Elektrizität nicht ein-
wirken und so wirkt sie bei Entzündungen nur temporär und sympto-
matisch. Der konstante Strom wirkt öfter schmerzstillend, als der
faradische, die Anode ist im Allgemeinen der Kathode vorzuziehen;
langsames Steigen und Sinken mit der Stromstärke wirkt günstiger,
als einzelne Stromstösse.
$ 179. Aus der Reihe der nervösen Zustände und Schmerzen
haben sich schon seit langer Zeit diejenigen Kopfschmerzen, die man
unter dem Namen der Migräne (des einseitigen Kopfschmerzes, der
Hemikranie) kennt, eine besondere Beachtung erworben. Die grosse
Wahrscheinlichkeit der Abhängigkeit dieser Leiden von der Spannung
und der Füllung der Gefässe der Hirnhäute, vielleicht des Hirns selbst
hat schon bald nach dem Bekanntwerden der Wirkungen des kon-
stanten Stroms die Aerzte nach einem so mächtigen Mittel zur Be-
kämpfung dieser peinvollen Zustände greifen lassen. Namentlich war
es Holst?%, der fussend auf die von du Bois namentlich und
Möllendorf zuerst betonten verschiedenen Gefässfüllungszustände
und in Berücksichtigung anderer Symptome, welche auf die Tätigkeit
der hier in Betracht kommenden sympathischen Nerven Licht warfen
(Pupillenweite, Färbung und Temperatur der Gesichtshaut und der
Ohren etc.) die Hemicrania sympathico-tonica (spastica) und
die Hemicrania angio-paralytica nach den von Brenner an-
gegebenen Prinzipien mit Erfolg behandelte.
Bei der ersten Form, der angiospastischen, wobei das Gesicht
blass, die Pupillen weit, die Arterien eng sind, wird die Anode auf
den Halsteil des Sympathikus aufgesetzt, sodann die Kette eines
relativ starken Stromes geschlossen (Kathode ruht an einem indiffe-
renten Punkt) und nach einigen Minuten die Stromstärke allmäh-
lich (Ausschleichen, Rheostatbenutzung) vermindert. Bei der zweiten,
der angioparalytischen Form, wobei das Gesicht rot und warm, die
Pupillen eng, die Arterien weit sind, soll durch den starken Reiz
der Kathode (am Sympathikus) die Parese der vasomotorischen Fasern
dieses Nerven bekämpft werden: daher wiederholte Oeffnungen und
Rosenthal u Bernhardt, Elektrizitätslehre. III. Auf. 97