442 Behandlung der Stimmbandlähmungen. Kap. XXVI.
Die Schwächezustände der Kehlkopfsmuskulatur beruhen einmal
auf Erkrankungen der Schleimhaut (Entzündungen, Katarrhen etc.),
durch rheumatische Einflüsse oder Ueberanstrengung im Beruf (bei
Lehrern, Predigern) hervorgerufen, oder sie stellen wirkliche Lähmungs-
zustände dar in Folge von Erkrankungen der Kehlkopfsnerven. Die
N. laryngei können in ihrem peripherischen Verlauf am Halse (Ver-
letzungen, Kompressionen durch Neubildungen, besonders durch Strumen
und Aortenaneurysma) oder noch innerhalb der Schädelkapsel und
des Wirbelkanals (Erkrankungen der Accessoriuswurzeln) oder an
ihren zentralen Ursprungsstätten in der Med. oblongata und im ober-
sten Halsteile des Rückenmarks (z. B. bei der Bulbärparalyse) lädirt
worden sein. War es möglich, durch eine sorgfältige Untersuchung
die Ursprungsstätte des Leidens zu ergründen, so wird man dem nun
schon öfter ausgesprochenem Grundsatz gemäss möglichst loco morbi
zu behandeln versuchen. Man tut bei der Anwendung des galvanischen
Stroms am besten, eine der Elektroden (möglichst gross) in den
Nacken oben zu setzen (stabil), während man mit der anderen,
kleineren zu beiden Seiten des Kehlkopfs labil hinstreicht, eventuell
die kleinere Elektrode (die Kathode) nach Rossbach’s Vorgang an
die Schildknorpelplatten oder, um den N. recurrens zu reizen, einige
Centimeter unter dem unteren Ringknorpelrand am vorderen Rand
des Kopfnickers tief nach hinten hin eindrückt. Aehnlich verfährt
man bei der Faradisation. Eine genaue elektrodiagnostische Explora-
tion ist meist nicht anzustellen wegen der Schwierigkeit der Kontrole
der Versuchsergebnisse.
Bei intralaryngealer Behandlung sei man in der Dosirung der
Stromstärke vorsichtig: es genügt nach v. Ziemssen ein Induktions-
strom, der deutliche Kontraktionen im M. frontalis z. B. auslöst, oder
ein galvanischer, von wenigen Elementen gelieferter.
Dass bei einer derartigen Applikation zugleich eine Summe von
sensiblen Fasern gereizt werden und Erfolge der Behandlung oft der
starken reflektorischen Reizung eher zuzuschreiben sind, als der
direkten Erregung der Muskeln, zeigt sich klar z. B. bei denjenigen
Lähmungszuständen (Aphonien), welche bei Hysterischen durch die
elektrische Moxe nach M. Meyer oft in einer Sitzung geheilt werden.
Freilich sind hier die Erfolge nicht immer beständige, insofern of
nach wenigen Stunden oder Tagen die Stimmbandschwäche und Aphonie
zurückkehren und aufs Neue behandelt werden müssen.
Sehr viel seltener als Lähmungszustände kommen krampfhafte
Affektionen derStimmbandmuskulatur zu elektrotherapeutischer
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