Tokyo
an, der größer als der liebe Gott ſei, weil er in einer Stunde die ganze
Welt erfchaffe — «8 ſind offenbar traditionelle und gern vorgebrachte, gern
gehörte Redewendungen. Inzwiſchen wurde außer Tee ein japaniſches Ge-
richt: Aal mit Reis, gebracht und gegeſſen, und allmählich wird aufge-
brochen, um in einem fürſtlichen Auto zu Graf Sakai Tadamaſa zu fahren,
der uns um 2 Uhr erwartet.
Die Sakai ſind eines der vier großen Vaſallengeſhlehter der Tokugawa,
die in den leßten drei Jahrhunderten überaus mächtig und reich geweſen ſind.
Ein Daimyo dieſes Geſchlehts, Hoitſu, iſt um 1800 aud als Maler im
Stile Korins bedeutend geweſen. Graf Tadamaſa iſt etwa 32 Jahre alt und
das jüngſte Mitglied des Oberhauſes, er iſt Politiker und nebenbei Maler.
Ein vornehmes Anweſen mit hübſcher Einfahrt in den Vorgarten empfängt
uns. Wir werden in ein halb europäiſch eingerichtetes kleines Empfangs-
zimmer geführt, wo im Tokonoma drei Bilder glü>kliher Neujahrsbedeu-
tung von Kano Tanyu hängen, in einer gegemüberliegenden Ede aber ein
Byobu von Hoitfu fteht: rote Ahornwipfel und Meereswellen als Haupt-
motiv. Der Graf erſcheint, auf den erſten Bli eine ganz unjapaniſche Er-
ſcheinung, ſehr ſüdlich, faſt jüdifch ausfehend: ein äußerſt Ichmales, vorge:
bautes Geſicht, lange gebogene Naſe, ein finnlic verſonnener Mund und
wundervoll große, nahtſ<warze, ihwermütige Mandelaugen. Er hat ein
befcheiden-vornehmes Wefen ohne jede Spur von Selbſtbewußtſein oder
Affektation, diskret und natürlih. Nach der Begrüßung werden wir durch
eine lange Galerie in einen ziemlich großen Saal geführt, wo einige Bilder
aus der berühmten Sammlung der Familie ſhon bereitgelegt ſind: das
ſehr hübſche Affenbild des Mu-h’i, ein fraglicher Liang Kai, ein mäßiges
Byobu-Paar von Seffon (?), eine intereſſante Fuji-Landſchaft von dem
älteren Bruder Hoitfu Safais, dann zwei ausgezeichnete Mafimono der
Tofa-Schule, deren Betrachtung ein hoher und reiner Genuß ift. Dann
dürfen wir einen Blik in den Landſchaftsgarten hinter dem Hauſe werfen,
der einſt das Geſchenk eines Tokugawa-Shoguns war: ein tief liegender
Teich von alten Bäumen umgeben, leider eben jekt in ungünſtiger Beleuch-
tung und die Anordnung der Bäume nicht ganz klar erſheinend. Darauf
wird wieder im Empfangszimmer Tee aufgetragen, Malgerät ſteht bereit,
und der Graf holt ein paar goldgeſäumte quadratiſhe Kartons hervor. Er
entwirft aus krauſen Tuſcheſtrichen, za>ig und lo>er hingeworfen, ein Bild-
hen, deſſen Gegenſtand erſt zuleßt deutlich wird, als er etwas Roſa hinein-
feßt: e8 ſind drei krabbelnde Krabben von nervöſer Beweglichkeit. Dann greift
Harada zum Pinſel und malt ſehr hübfch einen Stamm mit Pflaumen-