Kyoto II 177
faido, d. b. der Reiſe von Kyoto nah Tokyo, in ein hübſches Album ge-
bunden. Er läßt mir auch ein paar weiße, dünn gewobene Seidenſtreifen
da und bittet mich, deutſche Verſe zu Bildern darauf zu fehreiben, damit er
ein Andenken an meine Beſuche habe, wenn ih Japan verlaſſe. Dann gehen
wir zuſammen ins Kyoto-Hotel, um die dort verwahrte Bilderſammlung
ſeines Freundes Hiroſe anzuſehen, der ſelber leider auf Reiſen ſei. Es ift
der hübfche Beſiß eines geſ<hma>vollen Liebhabers. Nachher lädt mich
Kawakami ein, mit ihm nah Otſu hinauszufahren, wo eine verheiratete
Schweſter von ihm lebt. Sie wohnt in einem europäiſch gebauten Haus mit
flahem Dach, und wir ſißen hier lange miteinander auf der Terraſſe, genie-
ßen den {<önen Bli auf die Berge und den Biwa-See, und Kawakami, der
heute ein wenig bedrü>t und liebebedürftig ſcheint, erzählt mir lange aus
ſeinem Leben: wie fein zwanzigjähriges Sutra-Studium ihm zur Qual
geworden, wie er eines Tages — mit 42 Fahren — Bilder gejeben und
fi) gefagt habe, dag wäre ein wahreres Leben, das müſſe er auch können
und treiben. Er zeigt mir ein paar Studien, die er damals ohne Lehrer ganz
frei nach der Natur gemacht hat und die feine Schwerter verwahrt: es ſind
ungemein begabte Aquarelle, gar niht japaniſch ſtiliſiert, ſondern wie geiſt-
volle Verſuche nah franzöſiſhen Jmpreſſioniſten, ja in der Art Cézannes
wirkend. Erſt von da aus iſt er ſpäter zur eigentlichen Zen-Malerei gelangt,
und er ift faft erſtaunt von meinem Entzücken über dieſe Dinge. Er ſcheint
aber darunter zu leiden, daß er von den japaniſchen Künſtlern nicht anerkannt
werde, ja daß man auf einer. Ausſtellung ſein großes Werk Rokuzo Mondo
zurü>gewieſen habe, weil es keiner beſtimmten Schule entſpreche. Er bittet
mich, und ich verfpreche ihm gern, ein paar Worte über diefes Bild zu fehrei-
ben, die in einer Zeitſchrift, vielleicht in Suzufis „Eastern Buddhist“ ver-
öffentliht werden follen. Es ift mir aud der Gedanke gekommen, man
könnte nah meiner Heimkehr in Berlin eine Ausſtellung lebender japaniſcher
Maler ohne viel Mühe und Koſten veranſtalten, und ih will gern da-
nah trachten, daß Kawakami, deſſen Leiſtung mir wirklich bedeutend fcheint,
dabei gebührend zu Ehren kommt. Dieſe , Hoffnung fcheint ihn ſehr zu
tröſten. Dann ſehen wir noh bei einem Kunſthändler in Otſu Bilder an,
von denen mir ein geiſtvoll-komiſcher Wurf von Taiga in guter Erinnerung
bleibt.
Kyoto, 6. März. Heute blüht mir wieder ein reicher und {öner Tag.
Auf den Nachmittag bin ih in das Kloſter Daitokuji eingeladen und nehme
Ogihara als Dolmetſcher mit. Es findet hier ein feierlicher Empfang zur Er-
Öffnung eines neuerbauten Nebenkloſters, des Ryoſhoji, ſtatt, das von dem
Fiſcher, Wanderfahrten 12