Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
186 Kyoto II 
Kyoto, 11. März. Vormittags gehe i< mit Minamoto ins Muſeum 
und betrachte mir die ſeßige Ausſtellung alter Bilder. Wir ſehen den Ao- 
Fudo, den blauen Fudo aus dem Shoren-in, eine Sitßgeſtalt, von herrlich 
farbigem Flammenmeer und ſhwärzli<hen Rauchzungen umlodert. Ein ganz 
großes Werk, die Zeichnung von ſtärkſter Feſtigkeit und Ausdru>skraft, es 
dürfte dem 11. Jahrhundert angehören,“ denn es zeigt Spuren cineſi 
akzentuierender Pinſelſchrift. Dann ſe<s Bildrollen mit der Geſchichte des 
koreaniſhen Prieſters Dai-an, des Gründers der Kegon-Sekte, aus dem 
Kozanji. Sie werden dem Nobuzane zugeſchrieben und ſheinen wenigſtens 
aus ſeiner Zeit, dem Ende des 12. Jahrhunderts, zu ſtammen. Auch die 
Rollen des Toba Sojo ſtammen aus dem Kozanji und das Bildnis des 
Myoe Shonin, das mit dieſen Nollen verwandt iſt, ebenſo das Bild der 
fünf Jodo-Patriarchen, das 1195 aus China nah Japan kam. Die ganze 
Heiligenerzählung iſ mit einer unglaublih ke>en Freiheit und Leichtigkeit 
hingeſchrieben, die Farben nur licht und zart angedeutet. Dazu lebt hier eine 
heitere Anmut, ein blühender Humor, etwa in der Darſtellung des hinefi- 
hen Hofs, ein Naturgefühl in der Landſchaft, deren kühn und frei kompo- 
nierte Folge hon an Seſſhus Rollen erinnert. Minamoto vermutet, es 
habe im Kozanji eine beſondere Schule geblüht, der auh die Toba Sojo- 
Rollen angehören, die er erſt um die Mitte des 12. Jahrhunderts entſtan- 
den glaubt. Er meint übrigens, die Kegon-Rollen ſeien nah einem koreaniſchen 
Driginal Eopiert, was dag Improviſierte der Einzelheiten erklären würde, 
für die Erfindung aber mir nicht einleuhten will. Dann ſind noh die bei- 
den Tuſchelandſchaften des Kao Jan-hui aus dem Kondi-in ausgeftellt, in 
breiten Savierungen angelegt, breit aud) in den Details. Die Sommerland- 
ihaft erinnert etwas an Mi Feis Stil. Es befteht ein gewifler Gegeniak 
zwifchen den zart behandelten Duftpartien unten und den breit dekorativen 
Berggipfeln. Die Bilder find nicht aufregend, aber doc groß gefehen und 
bedeutend. 
Nachmittags fahre ich mit Ogihara nochmals hinaus zum Daigojt, um mir 
diesmal die Gemäldefchäße des Tempels zeigen zu laſſen. Jn einem Zimmer 
des Samboin dürfen wir ſie ſtudieren. Wichtig ſind vor allem eine ganze 
Fülle von Pinſelumrißzeihnungen, teils als Makimono, teils als Kakemono 
montiert, die wie ein Muſterbuch alle Motive der buddhiſtiſhen Tempelma- 
lerei behandeln und meiſt mit großer Freiheit und Sicherheit gegeben ſind. 
Ihr Schöpfer ſoll Shinkai ſein, der Neffe Fujiwara Nobuzanes, der zu- 
gleich der Hauptmeiſter der Daigo-Schule kirhliher Malerei geweſen iſt. 
Die Bilder find jedenfalls im 13. Jahrhundert entſtanden und dürften von 
     
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