Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
    
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Kyoto TI 
Auf mittags 1 Uhr hat mir Kawakami eine Einladung des Abtes zum 
Beſuh im Myoſhinji verſchafft. Jh werde mit einer gewiſſen Feierlichkeit 
empfangen und zuerſt in den Haupttempel geführt. Der Abt felbft und meh- 
rere Priefter führen mich umher, dann werden mir die wichtigſten Bilder- 
ihäße gezeigt. Drei Tufche-Kafemono auf dunfelgrauer Seide, die wohl irrig 
dem Mu-ch’i zugefchrieben find, zeigen eine Kuan-yin zwiſchen zwei Berg- 
landſchaften, gute Werke der ſpäten Sung-Dynaſtie. Die 16 Lohan im Stil 
derſelben Zeit, farbig mit viel Umgebung, ſind nett, aber niht wichtig. 
Dann iſt hier ein Makimono von Hakkuin, das mit großartiger Satire, an 
Toba Sojo und an Boſch erinnernd, die Laſter und Gefahren des Kloſter- 
lebens in Form von Dämonen darſtellt, die mit Prieſterabzeihen und Mu- 
ſifkinſtrumenten teils ausgeſtattet, teils als ſolche perſonifiziert ſind. Das 
Ganze ift farbig koloriert, der Strich ſehr frei und unbekümmert-regellos, 
die Erfindung und Kompoſition von der größten Kühnheit. Hakkuin ſelber, 
der große Erneuerer der Zen-Sekte, war Abt des Myoſhinji, daher gilt dieſes 
heute als Haupttempel der Lehre. Während wir zur Abtei hinübergehen, er- 
fahre ih manches aus der Geſchichte des Kloſters und der Sekte ſelbſt. Reun 
Zenſhi, ein Chineſe, gilt als der Gründer, do< war dies eigentlich erſt ſein 
Schüler und zweiter Nachfolger Daikyu, zwiſchen beiden ſteht Tokuho Zen- 
ketſu, deſſen Ausſprüche im Seigenroku überliefert ſind, während Daikyu 
der Verfaſſer des Kentoroku iſt. Zwiſchen den Zweigen Rinzai, Soto und 
Obaku ſollen in der Lehre zwar keine Unterſchiede beſtehen, wohl aber in der 
Praxis. Rinzai ſei ganz frei und lege allein Wert auf die Tat und Wirklich- 
keit, Soto pflege mehr die philoſophiſhe und dogmatiſche Theorie, Obaku 
aber fei mit dem eroterifchen Buddhismus, mit Amida- und Nembutſu-Kult 
allzuſehr verknüpft. Jn China beſtehe kein Unterſchied zwiſhen Rinzai und 
Obaku, wohl aber in Japan, wo die leßtere Schule erſt dur< Jngen einge- 
führt worden iſt. Jn den Zen-Klöſtern, wird mir ferner auf meine Fragen 
berichtet, wird ebenſo wie bei den anderen Sekten, außer Jodo und Shinſhu, 
der Abt gewählt, und zwar durd einen Ausfhuß von fünf Prieftern, der zu 
dieſem Zwe von der Geſamtheit der Mönche eingefeßt wird. Das Amt ſei 
nicht ein geiſtliches, ſondern ein Verwaltungsamt, doch ſei ihm auch geiſtliche 
Bedeutung eigen, da unter ſoviel Prieſtern eben der eine für den vorge- 
ſchrittenſten, der Wahrheit nächſten gehalten werde. Anders ſei es mit den 
Patriarchen, wo jeder den Nachfolger ſelber beſtimmt und einſeßt, doh gebe 
es heute keine Patriarchen mehr. Offenbar werden, die fi dieſe Würde zu- 
\{hreiben, nicht mehr von den anderen Klöſtern anerkannt. Wir gehen nun 
in das Reun-in hinüber, in dem ein Bild des chinefifhen Tempelgründers 
     
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