I90 Kyoto II
Kaum fieht man blühende Pfloumenbäume mit dem welken Herbſtlaub von
Slingpflanzen behängt. Dieſe Dekoration iſt beſonders föſtlih in ihrer
Blütenlebendigkeit — auf einem der alten Stämme flötet ein Vögelchen.
In allen Räumen hängen einzelne Tuſchbilder, darunter zwei von Hakkuin:
ein kraftvoll {<li<ter Putai, der ſeinen Sa> öffnet, darauf ſteht: ‚Sn die-
fem Sad iſ nichts, aber das iſ das wahre Glüd." — dann die drei Dinge:
Ichi Fuji, ni taka, ſan naſubi (ein Fuji, zwei Salkenfedern, drei Eierpflau-
men) — das ſeien drei glü>bringende Zeichen im Traum der Neujahrsnacht.
Von Hakkuins Schüler Tore Oſho ſieht man die Eiſenkeule, die vor Emma-
ten (Yama) ſteht: es iſt nichts als ein ſhwerer fenfrechter Qufcheftrich, dabei
ſteht geſchrieben: „Kannſt du dieſe Keule ertragen?!’ Dann ſicht man von
Sengai zwei Zen-Patriarchen, den einen mit der Kake, den andern mit
einem Hündlein und ihren Jungen ſpielen, naiv und komiſch gegeben. Mein
Begleiter ſagt: „Bei Sengai muß man lachen, bei Hakkuin lächeln und
innen.’ Sengai habe zuerſt im Stil der Kano-Schule ſorgſam gemalt,
ſpäter ſei er dann ganz frei und ke> geworden. — Eine noh ſ{önere Über-
rafchung wartet meiner im weiter oben gelegenen Ryuanji in ſeinen be-
rühmten Zen-Gärten. Da iſ der Kagaminoike, ein großer, ſtill gebreiteter
Teich unter Bäumen, dann aber das Merkwürdigſte, der von Soami ange-
legte Sekitei oder Steingarten. Er iſ nichts als eine glattgerechte, lang-
geſtre>te Fläche weißen Sandes längs der Veranda des Hauſes, auf drei
Seiten von einer niedrigen Mauer umſchloſſen, ſo daß man von der Veranda
ihn überſchaut und zugleih auf Kiefernwipfel und den Abendhimmel hinaus-
bli>en kann. Im Sande, der ja das Waſſer darſtellen ſoll, ſind mehrere
Gruppen von kleinen und größeren Steinblöden wie Selfeninfeln verſtreut,
es ſollen 15 ſein, doch iſ} einer von jedem Punkt aus unſichtbar, der größte
und ſteilſte ſteht ganz links. Ein wohlgenährter und freundlicher jüngerer
Prieſter gibt folgende Erklärung. Die Zahl 15 bedeutet dem Yi-king die
Erſcheinungswelt, der unſichtbare Fels aber das Weſen oder die Wahrheit
gleich 1. Jn der Eins iſt alles enthalten. Der Garten heißt auh Tora no ko
wataſhi = der alte Tiger trägt ſeine Jungen über den Fluß. Nach der Sage
gebiert der Tiger drei Junge, aber eines davon iſt ein Panther. Der kleine
Panther und die zwei Tigerjungen ſtreiten ſi immer, aber der Panther iſt
wilder als dieſe, daher beſhüßt der Tiger ſeine Sungen. Es ift nun ein be>
fannteg Spiel, dag Problem zu löſen, wie der Tiger die Kleinen über den
Fluß feßen muß, ohne daß der Panther einem von ihnen gefährlich wird.
Der fehlende Fels ſoll damit zuſammenhängen, vielleicht ſelber der Panther
fein. Das hat natürlich auch wieder ſeine geiſtlihe Bedeutung. Dann wird
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