Kyoto II 193
ſenkt. Neglos aſſiſtieren die vielen Geſtalten in ihren altjapaniſchen Hoftrach-
ten, bis alles emporgetragen und aus den beiden Höfen alle Gerätſchaften
und Matten entfernt ſind. Nun erhebt fi der Geſandte des Kaiſers und
wirft ſih dreimal vor dem Heiligtum zu Boden, zü>t kniend eine Rolle gelbes
Papier und verlieſt die kaiſerlihe Botſchaft, während alles ſich erhebt und
tief die Köpfe neigt. Der Oberprieſter rutſht auf ſeinen Knien zu dem Ge-
ſandten, übernimmt die Nolle, hält fie hoch über ſi< empor und trägt fie
feierlich zum QIempel hinauf. Wie er herabfommt, wird in die Hände ge-
Élatſht, und der Geſandte kehrt in die Galerie zurü>. Nun treten die
Staatsbeamten, erſt einzeln, dann in Reihen vor und machen ihre Ver-
neigungen — da fie die abendländifchen fchwarzen Galauniformen fragen,
wirkt dieſer Teil der Zeremonie etwas komiſch. Es erſcheint nun, von Bogen-
hüßen angeführt und von Knechten in Roſtrot und Weiß am Halfter ge-
leitet, ein Zug von vier braunen Fohlen, die etwa achtmal durch den inneren
Hof und über die Rampe des Heiligtums die Runde machen, auch ſie offen-
bar eine Opfergabe des Kaiſers. Dann durchſchreiten ſieben Prieſter oder
Sänger in Ziegelrot langſam zuerſt den äußeren, dann den inneren Hof,
ſie blaſen Flöten, rühren Stäbchen, ſpielen das Koto (die liegende Harfe)
und ſingen einen dumpfen, tiefen Geſang, der faſt nur aus langgezogenen
Vokalen beſteht. Sie ſtellen ſi< re<ts im Innenhof auf. Ihnen folgen zu
zweien die ſe<s weißgekleideten Krieger mit Holzſchwertern und langen
weißen Schleppen und nehmen nah Süden bli>end Aufſtellung vor dem
Tempel, wo ein Diener Tablette mit Lorbeerzweigen vor ihnen aufbaut.
Zum Klang der Flöten und Vokalſtimmen beginnen ſie zu zweien, zu dreien
und endlih im Kreiſe langſam feierliche Tanzfiguren zu ſchreiten und zu-
gleih mit den erhobenen Lorbeerzweigen nach oben, nach unten und nach allen
Seiten große, weihende Schwünge zu vollziehen. Nach dieſem ſehr edlen
kultiſchen Tanz tragen ſie die Tablette mit den Zweigen in den äußeren
Hof, treten ab, und ebenſo die Muſik. Jett erſchienen auf den Stufen des
Tempels die fünf oberſten Prieſter. Die Geſandten des Kaiſers, die Daimyo,
die Samurai, traten in Reihen unter der Galerie ihnen gegenüber. Der
Geſandte empfing ein weißes Tuch als Gabe des Heiligtums, verneigte ſich
tief, erhob ſih< und breitete wie Slügel die Arme, fiel wieder auf die Knie
und nahm ſo ſeinen Abſchied. Ihm taten es die anderen nach, dann zogen ſie,
da es zu regnen begonnen hatte, unter riefigen, rot leuchtenden Schirmen
ab, und ein bunter, berittener Zug bewegte fi) abwärts durch die dunkle
Zypreſſenallee, ein Zug von orientaliſcher Pracht und Phantaſtik. Ihm folg-
fen die Frauen, Mädchen und Kinder in den fröhlichften Sarben der vielen
Fiſcher, Wanderfahrten 13