322 Nach Peking
es ſind faſt alles moderne und ſchwache Nachbildungen älterer Muſter, billige
und flüchtige Arbeiten, und ich habe den Eindru>, daß nur mit unendlicher
Zeit und Geduld unter Tauſenden von Dingen einmal etwas Intereſſantes
oder gar wirklich Altes gefunden werden könnte. Dieſes Suchen aber beſor-
gen gewiß vor dem nur {wer ſich zurehtfindenden Fremdling die klugen und
erfahrenen hinefifhen Händler felber, und es wird eher gelingen, bei einem
ſolchen einmal dag wirkli<h Wertvolle zu finden, fobald man an die rechte
Adreſſe gelangt und ſoweit gekommen iſt, die wohlbehüteten Seltenheiten
der innern Gemächer ſehen zu dürfen. Der Liu-li-<ang gleiht etwa dem
Seinekai in Paris, wo es Freude macht, bummelnd und {mökernd die ge-
öffneten Bücherkäſten zu durhwühlen, wo man früher auch gelegentlich ein-
mal einen fchönen alten Drud, eine Erftausgabe des 18. Sahrbunderts oder
die Lithographien Daumiers und Gavarnis aus dem Charivari billig er-
wiſchen konnte, wo aber der e<te Kenner und Sammler, der beſſere Quellen
weiß und Selteneres anſtrebt, heute kaum mehr oder nur aus alter Anhäng-
lichkeit einmal lächelnd verweilt. Hier fällt mir aber eines wieder auf: wie
ſehr auh die Kunſtliebe in China ein literariſches Geſicht hat, und daß der
kleine chineſiſche Liebhaber, der hier ſeine Weide ſucht, an den Bildern mehr
als die Anſchauung den Namen, die Signatur und die Aufſchrift, in den
Abklatſchen nicht das Kunſtwerk, ſondern das Zeugnis des Altertums \{<äßt,
und am \{<önen oder ſeltenen Schreibgerät, am Tuſcheſtab, Pinſel, Reibſtein,
Waſſerbehälter, Siegelſto>, den Meſſingdoſen für grüne und rote Stempel-
farben, den Pinfelhaltern und allem Gerät des gepflegten Schreibtiſchs ſeine
ganz beſondere Freude hat. Auch ih kann mich nicht enthalten, ein paar
hübſche Kleinigkeiten dieſer Art als Andenken mit nach Hauſe zu nehmen,
ein paar Abklatſche mir unbekannter buddhiſtiſcher Bildſtelen und nad) Hand-
ſchriften berühmter Schriftfünftler zu erwerben.
Gegen Abend geriet ich dann in einem kleinen Park Yu-i-yuan in eine
Thenterhalle und ſah mir zwei Akte eines Dramas an. Es wurde auh hier
irgendein San-kuo-Stü>k geſpielt, Muſik, Darſtellung und Geſang, Ko-
ſtüme und Szene waren dieſelben, wie ich fie ſhon in Shanghai und Ning-po
erlebt hatte, nur daß diesmal auc weibliche Heldinnen auftraten und Liebes-
ſzenen oder der Schmerz einer Mutter in Epiſoden ſih auftat, ſo wie ja im
San-fuo-h’i-yen-i nichts Menihlihes und Erfhütterndes fehlt. Auch die
Frauenrollen wurden von männlihen Schauſpielern in did geſ<minkten
Masken geſpielt und im höchſten Falſett geſungen. Daneben ſoll es Truppen
geben, die allein aus Frauen beſtehen und bei denen alle Heldenrollen von
Schauſpielerinnen geſpielt und geſungen werden. Beides iſt gleich möglich,