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leiften. Seit dem Frühjahr 1613 stand er, wie wir in einem
folgenden Kapitel genauer darzulegen haben werden, in leb
hafter Polemik gegen den Jngolstädter Professor Scheiner über
die Priorität der Auffindung der Sonnenflecke und über deren
Erklärung, und da Scheiner ein Jesuit war, iu dieser Kon
gregation aber die Sitte besteht, daß einer für alle, alle für
einen einstehen, so erfuhr Galileis bisher so gutes Verhältnis
zu dem einflußreichen Orden gar bald eine nachhaltige Trü
bung. Es darf nicht geleugnet werden, daß der stolze, bisher
nur von wirklichen Ignoranten angegriffene und deshalb von
der beim Genie so häufigen Menschenverachtung nicht freie Alaun
gegen Scheiner nicht richtig gehandelt und zur Vergiftung einer
an sich nicht besonders wichtigen litterarischen Fehde an seinem
Teile mitgewirkt i)at 70 ). Ohne Not machte er einen Gegner
zürn erbitterten persönlichen Feinde, und selbstverständlich wurde
nun auch die Stellung der Gesellschaft Jesu zu ihm eine ganz
andere. Zwanzig Jahre später sollte er mit Schrecken inne
werden, was es hieß, die Freundschaft des Jesuitenordens mit
erbitterter Feindschaft vertauscht zu haben.
Bald daraus uuißte Galilei die Wahrnehmung machen,
daß gerade an der Stelle, deren Gunst ihm am notwendigsten
war, die Skepsis sich zu regen anfing. Am 4. Dezember 1613
schrieb ihm Castelli aus Pisa 77 ), mehrere Professoren seien
wieder einmal zur grüßherzoglichen Tafel gezogen worden,
und da habe sein Kollege Boscagli zwar Galileis Verdienste
anerkannt, zugleich aber die Unvereinbarkeit der Meinung, daß
die Erde sich bewege, mit den Aussprüchen der Bibel be
hauptet. Nun habe die Großherzogin-Mutter 78 ) ins Gespräch
eingegriffen und ihn, Castelli, zur Gegeuüußeruug aufgefordert;
er habe Bofcagli widerlegt und insonderheit die bekannte
Stelle des Buches „Josua" in einem den Copernicanern
günstigen Sinne interpretiert. Galilei konnte es nicht umgehen,
nunmehr selbst einzugreifen, und er that dies in einem an Castelli
( 21 . Dezember 1613) gerichteten Briefe 78 ), der sicherlich zur