Full text: Kepler. Galilei

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welche da und dort einer der tausende von Ordensbrüdern sich 
zu schulden kommen lasse. Der erste und Nächstliegende Ge 
danke des so schmählich Angegriffenen war es, bei der geistlichen 
Behörde sich Genugthuung zu verschaffen, aber Cest riet ihm 
davon ab, denn ihm war inzwischen kund geworden, daß auch 
schon ein Mächtigerer, Bellarmin selbst, die copernicanischen 
Sätze für häretisch erklärt hatte 89 ). Galilei beherzigte den 
Wink, aber genützt hat ihm seine Zurückhaltung wenig, so 
wenig wie die ausführliche Erörterung, welche er zu Beginn 
des Jahres 1615 an Cristina sandte, und worin er in einer 
— auch nach dem Urteile moderner katholischer Theologen 90 ) — 
ganz korrekten Weise das Verhältnis der Natnrsorschnng zur 
Offenbarung klarzustellen sucht'"). Auch dieses Sendschreiben, 
in bcm er ziemlich deutlich an eilte — wohlwollend sein 
sollende — Entscheidung der obersten Instanz appelliert, wurde 
in Kopien rasch verbreitet und erweckte ihm bei manchem sonst 
neutralen Theologen Gegnerschaft, denn die Eingriffe iit die 
eigene Fachwissenschaft wollte man sich nicht gefallen lassen''-). 
Der Stein war im Rollen und nicht mehr auszuhalten; auch 
die Bemühungen gutgesinnter Freunde, das drohende Unheil 
abzuwenden und der naturwissenschaftlichen Gewissensfreiheit 
ein bescheidenes Plätzchen zu erhalten, führten schließlich zum 
entgegengesetzten Erfolge. 
Ein offener Brief des Karmeliterpaters Foscarini^) hatte 
den Zweck, zu erweisen, daß die copernicanischc — oder, wie 
der Autor mit freilich nur halbem Rechte^) lieber sagt — die 
pythagoreische Lehrmeinung gegen aristotelische und theologische 
Beanstandungen in Schutz zu nehmen. P. Fosearini schickte 
auch dem Kardinale Bcllarmin ein Exemplar zu, und dieser ant 
wortete in einem von weltlicher Klugheit strotzenden Schreiben^), 
worin er den Rat gab, die Erdbewegung nicht als absolute 
Wahrheit, sondern vielmehr nur als eine bcquente und probable 
Hypothese („ex suppositione/") zu lehren; er gebe gerne zu, 
daß die himmlischen Erscheinungen aus der heliozentrischen
	        
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