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wird er sicherer sein, als irgendwo anderwärts, dazumal
man ihn alsdann aus Furcht vor der Todesstrafe nicht
so leicht stehlen wird.“ 1 ) — „Das hast Du weise verordnet,
grosser Vater,“ sagten die Götter und erwarteten, dass
Zeus ihm einen Nachfolger bestimme. Da eröffnete der
erhabene Präsident seinen Bescheid und sprach also:
„Mir scheint es sehr passend, dass hierher die Reue
gesetzt werde, die Reue, welche unter den Tugenden
ist, was der Schwan unter den Vögeln. Denn
der wagt es nicht und vermag es nicht, hoch
zu fliegen, weil die schwere Last des Schuld
bewusstseins und die demütige Selbst
erkenntnis ihn nieder drückt, und so wendet
er sich, da ihm die Erde doch verhasst ist,
von dieser hinweg und weil er sich noch nicht
erkühnt, sich zum Fluge gen Himmel zu er
heben, liebt er die Flüsse und taucht sich in
die Gewässer, welche die T h r ä n e n der Zer
knirschung sind, darinnen er sich zu baden
u n d zu reinigen sucht, nachde m ihn der
Schmutz und der Schlamm, mit welche m e r
sich in den sumpfigen Niederungen des Irr
tums und der Sünde verunreinigt hat, an
ekelt, und er sich selber missfällt; und er
griffen von diesem Schmerz über sich selber
hat er den festen Entschluss der Besserung-
gefasst und sucht, so sehr es ihm nur möglich
ist, gleich zu werden der licht reinen, schnee-
weissen Unschuld. Durch diese Tugend werden die
Seelen wiederum genesen und neuen Schwung gewinnen,
wenn sie vom Himmel herabgestürzt und versunken waren
zum finsteren Orkus, gewatet sind durch den Kocytus
der sinnlichen Lüste und entzündet- vom Periphlegeton
b Die Anspielung bezieht sich augenscheinlich auf eine jener
unverhältnismässigen harten Strafen, mit deuen das Mittelalter selbst bei
blossen polizeilichen Bestimmungen nicht sparsam war, zumal wenn es
sich um den Schutz fiskalischer Interessen handelte, ähnliche harte Straf
gesetze kennt auch die deutsche Rechtsgeschichte in erdrückender Anzahl.