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in ein enges, gerades und niedliches Stiefelchen hinein
zuzwängen'? Wo sie die Schritte mit solcher Zierlichkeit
lenken, die Strassen der Stadt, auf und ab flanieren, um
sich sehen zu lassen, Visiten machen und sich höchst
geistreich mit den Damen unterhalten, wo man Bälle
giebt und allerhand Kapriolen, Rennen, Gelage und Diners
veranstaltet, und wenn man schliesslich nichts anderes
mehr thun mag und all diese anderen Beschäftigungen satt
hat, sich, um der Versuchung zur Sünde aus dem Wege
zu gehen, an den Spieltisch setzt, wohin man sich von
den anderen kräftigeren und mühevolleren Vergnügungen
zurückzieht und auf diese Weise alle Sünden vermeidet,
wenigstens wenn es deren nicht mehr giebt, als die sieben
Totsünden? Denn wie ein Spieler von Genua zu sagen
pflegte: „Wie darf man von Hochmut reden bei einem
Manne, der, wenn er an einen Grafen hundert Scudi
verloren hat, sich herablässt von einem Kellner im Spiel
vier Reale wiederzugewinnen? Wie könnte man von
Habsucht und Geiz sprechen bei demjenigen, bei
welchem tausend Scudi kaum für acht Tage aushalten?
Wie sollte man Wollust und Sinnlichkeit in dem finden,
der die ganze Aufmerksamkeit seines Geistes auf das
Spiel konzentriert ? Wie könnte man den wol des
Zornes zeihen, der aus Besorgnis, dass sein Gegenpart
das Spiel abbrechen könnte, tausend Beleidigungen ruhig
einsteckt und mit Geduld und Höflichkeit einen Hochmuts
narren bedient, der ihm im Spiel voraus ist? Und wie
sollte der wol ein Schlemmer sein, der alle seine Mühe
und Zeit auf die Erlangung der Spielfertigkeit verwendet?
Und kann man vollends von demjenigen sagen, er begehre
und beneide seines Nächsten Gut, der seinen eigenen
Besitz wegzuwerfen und zu verachten scheint? Kann
endlich Faulheit dem vorgeworfen werden, der mit dem
Spiel schon am Mittag oder gär am Morgen beginnt und
um Mitternacht noch nicht auf hört? Und meinst Du,
dass sie inzwischen ihre Bedienten müssig gehen lassen,
von denen die einen immerfort um sie herumstehen müssen,
die andern sie zur Kirche, zum Markt, zur Kneipe