Full text: Reformation des Himmels

215 
in ein enges, gerades und niedliches Stiefelchen hinein 
zuzwängen'? Wo sie die Schritte mit solcher Zierlichkeit 
lenken, die Strassen der Stadt, auf und ab flanieren, um 
sich sehen zu lassen, Visiten machen und sich höchst 
geistreich mit den Damen unterhalten, wo man Bälle 
giebt und allerhand Kapriolen, Rennen, Gelage und Diners 
veranstaltet, und wenn man schliesslich nichts anderes 
mehr thun mag und all diese anderen Beschäftigungen satt 
hat, sich, um der Versuchung zur Sünde aus dem Wege 
zu gehen, an den Spieltisch setzt, wohin man sich von 
den anderen kräftigeren und mühevolleren Vergnügungen 
zurückzieht und auf diese Weise alle Sünden vermeidet, 
wenigstens wenn es deren nicht mehr giebt, als die sieben 
Totsünden? Denn wie ein Spieler von Genua zu sagen 
pflegte: „Wie darf man von Hochmut reden bei einem 
Manne, der, wenn er an einen Grafen hundert Scudi 
verloren hat, sich herablässt von einem Kellner im Spiel 
vier Reale wiederzugewinnen? Wie könnte man von 
Habsucht und Geiz sprechen bei demjenigen, bei 
welchem tausend Scudi kaum für acht Tage aushalten? 
Wie sollte man Wollust und Sinnlichkeit in dem finden, 
der die ganze Aufmerksamkeit seines Geistes auf das 
Spiel konzentriert ? Wie könnte man den wol des 
Zornes zeihen, der aus Besorgnis, dass sein Gegenpart 
das Spiel abbrechen könnte, tausend Beleidigungen ruhig 
einsteckt und mit Geduld und Höflichkeit einen Hochmuts 
narren bedient, der ihm im Spiel voraus ist? Und wie 
sollte der wol ein Schlemmer sein, der alle seine Mühe 
und Zeit auf die Erlangung der Spielfertigkeit verwendet? 
Und kann man vollends von demjenigen sagen, er begehre 
und beneide seines Nächsten Gut, der seinen eigenen 
Besitz wegzuwerfen und zu verachten scheint? Kann 
endlich Faulheit dem vorgeworfen werden, der mit dem 
Spiel schon am Mittag oder gär am Morgen beginnt und 
um Mitternacht noch nicht auf hört? Und meinst Du, 
dass sie inzwischen ihre Bedienten müssig gehen lassen, 
von denen die einen immerfort um sie herumstehen müssen, 
die andern sie zur Kirche, zum Markt, zur Kneipe
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.