VII. Die Fixsterne, Nebelflecke und Sternhaufen 367
liegt aber ein Entwicklungsgang, wie der oben geschilderte, durchaus im Be
reiche der Theorie.
Bei welcher kritischen Dichte die Umkehr der Sterne in die Zwergreihe
stattfindet, läßt sich nur roh abschätzen. Jedenfalls ist die Dichte dann be
reits beträchtlich größer als diejenige der atmosphärischen Luft. Vielleicht
trifft die Schätzung Lord Kelvins das richtige, der in dem betr. Stadium die
Kerndichte der Gaskugel etwa =0.1 der Wasserdichte annimmt.
Eine recht wesentliche Ergänzung und theoretische Stütze hat dieRussELL-
sche Hypothese im Jahre 1916 durch Eddington erfahren. Unter Berück
sichtigung des bisher vernachlässigten Strahlungsdrucks auf die Expansion
der Gase, ferner unter der Annahme, daß von einem roten Giganten Masse
und Halbmesser bekannt sind, und der Stern den gewöhnlichen Gas- und
Strahlungsgesetzen unterliegt, hat Eddington eine Zustandsgleichung abge
leitet, die für jedes Stadium der Entwicklung den Betrag der Strahlung und
den Durchmesser des Sternes definiert. In Übereinstimmung mit der Russell-
schen Annahme gelangt er dabei zu dem Schluß, daß bei genügend großer
Masse im ersten Stadium der Kontraktion durchaus der Zustand der A- und
sogar der B-Sterne erreicht werden kann. Sterne mit geringen Massen
überschreiten den kritischen Umkehrpunkt bereits wesentlich früher. So hat
unsere Sonne, gegenwärtig ein gelber Zwergstern mit einer Temperatur von
etwa 6000°, wahrscheinlich bereits bei der A- oder F-Klasse und einer
Temperatur Von ca. 9000° ihr höchstes Entwicklungsstadium erreicht. Zum
Erzielen des B-Stadiums hätte ihre Masse mindestens 2—5 mal so groß sein
müssen; umgekehrt wäre jede Weiterentwicklung vom M-Stadium unmöglich
gewesen, wenn sie nur etwa 1 / 7 der jetzigen Masse besessen hätte.
Die Frage, wie die roten Giganten am Anfang der Reihe mit ihrer fast
unvorstellbar geringen Dichte entstanden sind, läßt die Russell sehe Theorie
völlig unberührt. Gehen wir zu noch weniger dichten Himmelskörpern über,
so bleiben als rückwärtige Verlängerung der Reihe eigentlich nur noch die
Gasnebel übrig. Hier ist aber offenbar eine Kluft vorhanden. Weder die
physische Eigentümlichkeit noch die räumliche Verteilung, Bewegung usw.
läßt die roten Giganten in irgendeinem Zusammenhänge mit den echten
Gasnebeln erscheinen. Die einzigen Objekte am Himmel, die mit den Nebeln
in engerer Beziehung stehen, sind die seltenen, in die Russell sehen Er
wägungen nicht mit hineingezogenen O-Sterne, die in einzelnen Fällen als
Kerne von sog. Planetarischen Nebeln auftreten, wobei natürlich nicht zu ent
scheiden ist, welches von beiden, Stern oder Nebel, das primäre Gebilde ge
wesen ist. Die weitere Vorgeschichte der roten Giganten ist also noch
vollkommen in Dunkel gehüllt. Will man die alte KANT-LAPLACESche Hypo
these noch gelten lassen, so muß man annehmen, daß sich die Bildung aller
unseren Fernrohren zugänglichen Sterne jedenfalls schon vor Jahrmillionen
vollzogen hat und jeder weitere rückwärtige Blick uns für alle Zeiten ver
schlossen bleibt.
Die Dichte der Sterne. Ein sehr wesentlicher, wenn nicht gar der we
sentlichste Einwurf gegen die Russell sehe Evolutionstheorie richtet sich
gegen die Annahme, daß sie den Spektraltypus lediglich als Funktion der
Temperatur auffaßt und der Dichte der Himmelskörper jeden merklichen
Einfluß auf das Spektrum abspricht. Die roten Giganten am Anfang der