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SYMPOSIUM PHOTO INTERPRETATION, DELFT 1962
Die Landschaftsgeographie erfordert aber nicht nur eine räumliche, sondern
auch eine zeitliche Betrachtung. Wir unterscheiden Naturlandschaften, soweit
die Landschaft nur unter natürlichen Bedingungen steht und vom Menschen
mehr oder weniger unbeeinflusst ist, und Kulturlandschaften. Alle Kultur
landschaften sind, z.T. seit prähistorischer Zeit, aus Naturlandschaften her
vorgegangen. Sie verändern sich aber auch fortwährend, und zwar so schnell,
dass die Luftbilder vieler Kulturlandschaften, die einige Jahrzehnte alt sind,
bereits wichtige Dokumente der Landschaftsforschung darstellen. Übrigens
verändern sich in der gleichen Zeit auch gewisse Naturlandschaften, für deren
Luftbilder das gleiche gilt. Man denke nur an Bilder von schrumpfenden oder
wachsenden Gletschern oder von wachsenden Deltas. Wir können also
zwischen Landschafts-Chorologie und Landschafts-Chronologie unterscheiden.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass die geographische Luftbildinterpreta
tion wie die Geographie überhaupt mit sehr vielen Wissenschaften enge Be
rührung halten muss, mit physikalischen, biologischen, mit Sozial- und Wirt
schaftswissenschaften. Sie hat aber auch zwei Aufgaben, die nur von ihr be
treut werden:
1. Sie betrachtet die Erscheinungen der Natur in ihren vielseitigen funktio
nalen Wechselbeziehungen im Raume. Für diese Aufgabe habe ich den
Begriff “Landschaftsökologie” (landscape ecology und écologie de paysage)
geprägt.
2. Die Geographie spürt dem gegenseitigen Zusammenhang zwischen mensch
licher Aktivität und Umwelt nach, sowohl dem oft überschätzten Einfluss
des Milieus auf den Menschen, als auch der Veränderung der Umwelt
durch den Menschen. In diesen beiden Richtungen, in der Zusammen
schau, in der Synoptik der dinglichen Erfüllung der Erdoberfläche, hat die
Geographie ausgesprochen synthetischen Charakter. Ihre analytische
Aufgabe besteht vor allem in der räumlichen oder regionalen Differenzie
rung der Erdoberfläche in ihre geographischen Einheiten (landscape units,
landscape régions).
Für diese beiden Aufgaben der geographischen Forschung ist die Luftbild
interpretation heute von entscheidender Bedeutung, ja geradezu unentbehr
lich. Die Luftbildforschung hat daher auch die moderne Geographie metho
disch ungemein gefördert und vorangetrieben.
Schon die klassischen Luftbildaufnahmen vom Hochland von Nord-Rhode
sien (abb. 1) in den 20er Jahren lieferten Bilder von den ausgedehnten mono
tonen Trockenwäldern (Miombo-Wäldern) dieses Landes, die aber regelmässig
von Flecken oder Streifen offener Grassavannen unterbrochen sind. Die Auf
nahmen durch die Aircraft Operating Go. sollten der Kupferprospektierung
dienen, da man wusste, dass an der Oberfläche austretende Kupfererze den
Waldwuchs verhindern. Meistens aber treten Grassavannen in Gelände-
depressionnen entlang den Entwässerungswegen auf, die in der Regenzeit
regelmässig überflutet werden (sogenannte Dambos). C. R. Robbins konnte
aber mit Hilfe der Luftbilder auch verschiedene Typen des Miombo-Waldes