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SYMPOSIUM PHOTO INTERPRETATION, DELFT 1962
Das Erkennen der für eine Landschaft charakteristischen Strukturen und
Wechselbeziehungen ist zumeist eine höchst komplexe und schwierige Auf
gabe, die das methodische Rüstzeug und die Zusammenarbeit verschiedener
Zweige der Erdwissenschaften erfordert. Sie ist auf jeden Fall eine echt geo
graphische Aufgabe, deren Lösung sich nicht in qualitativen und quantita
tiven Ergebnissen der Analyse erschöpft, sondern die eine Synthese dieser Er
gebnisse zum Ziel hat. Es fehlt hier die Zeit, um auf die besonders in Mittel
europa sehr lebhafte Diskussion um den Begriff der Landschaft einzugehen.
Auch die namentlich von Seiten der Geomorphologie und der Geobotanik
entwickelten Methoden der physischen Landschaftsabgrenzung („natur
räumliche Gliederung”) können hier nicht näher erörtert werden. Ohne
Zweifel dürfen die Erfahrungen, die bisher in topographisch lückenlos aufge
nommenen Ländern gewonnen wurden, nicht ohne weiteres auf unerschlossene
Neulandgebiete verallgemeinernd übertragen werden. Denn die intensive Land
schaftsforschung in hochentwickelten Kulturstaaten kann sich i. allg. auf gross-
masstäbliche topographische und thematische Karten stützen. Zumeist steht
hier auch gutes Luftbildmaterial zur Verfügung und es bestehen, mit Aus
nahme der Hochgebirge und der amphibischen Küstengebiete, keine unüber
windlichen Schwierigkeiten für die Fortbewegung und für die Kartierungs
arbeit im Gelände. Hier kann also der Forscher, von den kleinsten ökologischen
Standorten ausgehend, Schritt für Schritt zu Landschaftsabgrenzungen
höherer Ordnung kommen, etwa in der Art, wie auch der kartierende Geo
loge bei seinen Feldaufnahmen verfährt. Soll dann die Kartierung aber auf
grössere Räume ausgedehnt werden, etwa für eine thematische Übersichts
karte, so kann auch hier auf den vergleichenden Überblick, wie er nur durch
das kleinmasstäbliche Luftbild ermöglicht wird, kaum verzichtet werden.
Ganz anders liegen die Voraussetzungen in unkartierten Neulandgebieten.
Hier kommt es darauf an, sich bereits vor Beginn der Geländearbeit aus Luft
bildern eine vorläufige Orientierung über physische Struktur, Bodenverhält
nisse und kulturlandschaftliche Bedingungen zu verschaffen, um danach das
anzuwendende Verfahren für die endgültige Kartierung festzulegen. Der
Kartierungsarbeit muss also eine sehr sorgfältige Erkundungsphase vorausgehen,
von deren schneller und erfolgreicher Durchführung oft die Wirtschaftlichkeit
des ganzen Unternehmens abhängt.
Beim heutigen Stand der Aerophotogrammetrie liefert eine lückenlose, zeit
lich möglichst einheitliche Luftbilddeckung in Masstäben etwa zwischen
1 : 30.000 und 1 : 80.000 günstigste Voraussetzungen für geographische Land
schaftserkundungen. Dieser Masstabsbereich hat sich in allen Klimazonen der
Erde als vielseitig geeignet und besonders wirtschaftlich erwiesen. Noch klei
nere Masstäbe (1 : 100.000 und kleiner) dürften jedoch i. allg. nur in flachen,
sehr extensiv bewirtschafteten und dünn besiedelten Gebieten mit Erfolg zu
verwenden sein. Das Fehlen einer einheitlichen Luftbilddeckung etwa im
Masstab 1 : 50.000 hat sich in Deutschland bei vielen thematischen Kar
tierungen, z.B. bei den Arbeiten zur naturräumlichen Gliederung, als ein
sehr fühlbarer Mangel herausgestellt. Die konventionelle Arbeitsweise, von der