WORKING GROUP 5
SCIIMIDT-KRAEPELIN
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grossmasstäblichen Detailaufnahme zur Übersichtskarte zu gelangen, hat sich
hierbei als methodisch unrationell und wirtschaftlich undurchführbar er
wiesen. Dagegen verfügen manche Entwicklungsländer, beispielsweise Per
sien oder Afghanistan, heute bereits über eine neuzeitliche Luftbilddeckung
im Masstab von etwa 1 : 50.000, die sowohl als topographische Grundlage
wie für viele Zwecke der Wirtschaft und Planung zu dienen geeignet ist. Dass
es in diesen Ländern vorerst noch an Fachleuten und Geräten mangelt, um
das Bildmaterial voll auszuwerten, ist eine ganz andere Frage.
Je kleiner der Bildmasstab, desto grössere Bedeutung gewinnen diejenigen
subjektiven Faktoren, die in der fachlichen Erfahrung und in der Kombina
tionsfähigkeit des Interpreten liegen; desto stärker kommt hierbei auch seine
Fähigkeit, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, zur Geltung.
Diese Fähigkeit zu kritischer Beurteilung des Bildinhaltes kann bis heute nicht
durch mechanische oder elektronische Vorrichtungen ersetzt werden. Ent
scheidend ist aber oft das unmittelbare räumliche Erfassen zusammenhängen
der Erscheinungen “mit einem Blick”. Denn es ist keineswegs gleichgültig, ob
man sich die Anlage eines verzweigten Flusssystems oder die komplizierte
Struktur einer Grossstadt aus 100 Einzelbildern mühsam zusammensetzen
muss oder ob man solche Formenkomplexe auf einem Bildpaar, gleichzeitig
und räumlich gegliedert, überschauen kann.
Selbstverständlich wird die Leistungsfähigkeit kleinmasstäblicher Luftbilder
überschritten, sobald man daraus Kleinstformen des Reliefs oder die Fein
textur von Flurparzellen zu identifizieren versucht. Immerhin zeigen aber die
bei günstigen atmosphärischen Bedingungen mit Weitwinkeloptik aus 6000 m
Flughöhe erzielten Testaufnahmen aus einem Schweizer Versuchsgebiet eine
so kontrastreiche und klare Wiedergabe auch kleinräumiger Bildelemente
(Gesteinsrippen, Häuser, Bäume usw.), dass das Auflösungsvermögen von
Emulsion und Optik durch die 6-fache Vergrösserung des Stereoskops noch
nicht voll ausgenutzt erscheint.
Hohe Wirtschaftlichkeit, vielseitige und bequeme Handhabung, insbesondere
bei vergleichenden Landschaftsuntersuchungen, wurden als wichtige Vorzüge
des kleinmasstäblichen Luftbildes genannt. Hieraus ergibt sich als weitere
logische Konsequenz die Empfehlung, dass man den dokumentarischen Wert
solcher Grossraum-Befliegungen durch häufige, möglichst regelmässige Wieder
holung voll ausnutzen sollte. Die Entwicklung unserer Städte, die Wandlungen
im Gefüge unserer Agrar- und Industrielandschaften, die Schutzmassnahmen
und Neulandgewinnungen an den Küsten, all diese zum Teil in stürmischem
Tempo sich vollziehenden Umgestaltungen können in ihrem zeitlichen Ver
lauf und räumlichen Zusammenhang am besten und schnellsten durch gross-
räumige, kleinmasstäbliche Luftbilddeckung festgehalten werden. Vorausset
zung hierfür ist freilich eine überregionale, von privatwirtschaftlichen Interes
sen weitgehend unabhängige Organisation des Luftbildwesens, wie sie sich in
europäischen und ausser-europäischen Kulturstaaten seit langem bewährt hat.